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Arthritis und Arthrose - Teil 1
Willkommen! In dieser Auditor-Folge wollen wir uns dem Thema Gelenkschmerzen aus rheumatologischer
Sicht nähern. Rheumatologische Erkrankungen verursachen
sehr häufig Gelenkschmerzen und befallen die Gelenke in unterschiedlichen Mustern.
Anhand dieser lassen sich die Erkrankungen unterscheiden. Zum Beispiel betrifft die rheumatoide
Arthritis häufig viele kleine Gelenke. Die reaktive Arthritis manifestiert sich hingegen
eher in wenigen, aber dafür großen Gelenken. Die Gicht wiederum befällt typischerweise
das Großzehengrundgelenk. Jede Erkrankung zeigt also ein für sie typisches Befallsmuster.
Dennoch kann sich eben dieses Befallsmuster auch mal so und mal so präsentieren. Dies
kann am Anfang sehr komplex erscheinen. Wir wollen deshalb eine gute Ordnung in das
Thema Gelenkschmerzen bei Erwachsenen ohne Trauma bringen und ihm uns Schritt für Schritt
nähern. Zuerst wollen wir uns den Aufbau eines Gelenks anschauen, um die beteiligten
Strukturen vorzustellen:
Die Funktion eines Gelenks ist es, zwei Knochen zu verbinden, um eine Beweglichkeit herzustellen.
Um das Gelenk herum befindet sich die Gelenkkapsel, welche von innen mit einer Synovialmembran
ausgekleidet ist. Die Synovialmembran trägt ihren Namen, weil sie die Synovia, also die
Gelenkflüssigkeit, produziert und in den Gelenkspalt abgibt. Die Synovialmembran ist
gleichzeitig auch für die Resorption der Gelenkflüssigkeit verantwortlich. Auf dem
Knochen selbst sitzt der Knorpel, der den Druck zwischen den Knochen vermindert.
Außerhalb des Gelenks finden sich Muskeln, die das Gelenk bewegen. Sie enden in Sehnen,
welche am Knochen ansetzen. Ziehen die Sehnen über Gelenke hinweg, so finden sich an einigen
Stellen im Körper Sehnenscheiden. Bei den Sehnenscheiden handelt es sich um mit Gelenkflüssigkeit
gefüllte Hüllen, die für die geordnete Sehnenführung verantwortlich sind. Einige
Gelenke verfügen auch über eine oder mehrere Schleimbeutel, die sogenannten Bursen. Die
Schleimbeutel verringern die Reibung zwischen dem Knochen und den Muskeln. All diese Strukturen
können ein Ausgangspunkt von Krankheitsprozessen sein.
Wenn die Synovialmembran des Gelenks entzündet ist, spricht man von einer Synovitis. Diese
wird häufig durch autoimmunologische Prozesse hervorgerufen. Wenn Bakterien das Gelenk befallen
haben, spricht man von einer septischen Arthritis oder auch infektiösen Arthritis. Kommt es
zur Ablagerung von Kristallen im Gelenkspalt, so können diese zu einer Entzündung führen.
Die entsprechenden Erkrankungen heißen Kristallarthropathien. Das bekannteste Beispiel ist sicherlich die
Gicht, welche durch die Ablagerung von Harnsäurekristallen verursacht wird.
Auch um das Gelenk herum kann sich das Gewebe entzünden. Betrachten wir als erstes die
Sehnen. Sehnen können auf zwei unterschiedliche Arten entzündet sein: Wenn der Ansatzpunkt
einer Sehne entzündet ist, so wird dies Enthesitis genannt. Das Wort ‘Enthesis’ kommt aus
dem griechischen und bedeutet ‘Ansatz’. Wenn sich hingegen die Sehnenscheide entzündet,
lautet der entsprechende Befund: Tenosynovitis. Wichtig zu merken ist, dass die Tenosynovitis
und die Enthesitis im Rahmen ganz unterschiedlicher Erkrankungen auftreten! Die Tenosynovitis
ist ein typisches Zeichen der rheumatoiden Arthritis, wohingegen die Enthesitis vor allem
bei den Spondylarthritiden auftritt. Wenn eine Entzündung des Muskels vorliegt, handelt
es sich um eine Myositis. Myositiden können zum Beispiel durch Autoimmunerkrankungen oder
Medikamente, wie zum Beispiel Statine, hervorgerufen werden. Wenn sich die Bursa entzündet, so
spricht man von einer Bursitis. Die Bursitis, zu deutsch Schleimbeutelreizung, entsteht
meist durch eine übermäßige Beanspruchung.
Ok, um das ganze nochmal zusammenzufassen: Wir haben bis hierhin gelernt, dass viele
verschiedene Strukturen im oder in der Nähe des Gelenks entzündet sein können. Diese
Entzündungen können durch Bakterien hervorgerufen werden, durch mechanische Reizung, durch Ablagerung
von Kristallen oder aber auch durch Autoimmunerkrankungen. Von den entzündlichen Vorgängen, den Arthritiden,
müssen die degenerativen Vorgänge abgegrenzt werden. Damit ist ein Verschleiß im Bereich
des Knorpels und des Knochens gemeint. Diese Knorpel- und Knochendegeneration wird durch
mechanische Überbeanspruchung verursacht und als Arthrose bezeichnet.
Wir wollen uns in dieser Reihe insbesondere auf die Unterscheidung dieser beiden großen
Gruppen konzentrieren: den Arthrosen und den Arthritiden.
Vier Begriffe sind grundlegend für das Verständnis des Themas. Es handelt sich um die Arthropathie,
die Arthralgie, die Arthritis und die Arthrose.
Der Begriff Arthropathie bezeichnet alle Gelenkerkrankungen jedweder Ursache. Unter Arthralgie versteht
man Gelenkschmerz ohne eine Schwellung des Gelenks. Die Arthralgie wird damit von der
Arthritis abgegrenzt, die definiert ist als Gelenkschmerz mit Schwellung des Gelenks.
Die Arthropathie ist also ein Oberbegriff für alle Gelenkerkrankungen, wohingegen die
Arthralgie und die Arthritis Symptomkomplexe darstellen.
Aus rheumatologischer Sicht ist die Arthralgie ein relativ unspezifisches Symptom. Gelenkschmerzen
können nämlich im Rahmen vieler verschiedener Erkrankungen auftreten, zum Beispiel bei grippalen
Infekten oder nach Überbelastung. Die Schmerzen verschwinden hier wieder, ohne dass eine ernsthafte
Erkrankung des Gelenks vorliegt.
Im Vergleich dazu gehen bei der Arthritis die Gelenkschmerzen mit einer Schwellung einher,
weshalb die Arthritis das spezifischere Symptom ist. Die Schwellung ist nämlich ein zusätzliches
Zeichen, dass womöglich eine Entzündung im Gelenk vorliegt. Ganz praktisch heißt
das: wenn eine Arthritis ohne Trauma vorliegt, sollten auf jeden Fall entzündlich-rheumatische
Erkrankungen in Betracht gezogen werden. Hierzu gehören die Rheumatoide Arthritis,
die Kollagenosen, die Spondylarthritiden, die Vaskulitiden, die Gicht sowie die septische
Arthritis. Doch mach dir keine Sorgen, falls dir einige der Namen noch unbekannt sind,
wir gehen in der nächsten Folge im Detail auf die Erkrankungen ein. Viele der eben genannten
Erkrankungen entwickeln sich über Wochen bis Monate, sodass in manchen Fällen Patienten
schon von Gelenkschmerzen berichten, die Gelenkschwellung aber noch nicht tastbar ist. Deshalb kann
sich eine Arthritis im Anfangsstadium auch als Arthralgie darstellen. In diesem Fall
sind Schmerzen in Ruhe ein wichtiges Warnzeichen. Wir merken uns also: Gelenkschmerzen mit Schwellung
sowie Gelenkschmerzen in Ruhe weisen auf das mögliche Vorliegen einer entzündlich-rheumatischen
Erkrankung hin.
Der letzte Begriff, den wir vorstellen möchten, ist die Arthrose. Die Arthrose bezeichnet
kein Symptom, wie die Arthralgie und die Arthritis, vielmehr wird als Arthrose eine Gelenkerkrankung
bezeichnet. Besonders typisch für Arthrosen ist ihr degenerativer Charakter. Es kommt
also durch langjährige Belastung zu einem Gelenkverschleiß. Besonders häufig von Arthrosen
betroffen, sind das Hüftgelenk und das Kniegelenk.
Die Arthrose geht typischerweise mit Gelenkschmerzen einher, das Gelenk aber ist nicht geschwollen.
Deshalb kann die Arthrose am ehesten den Arthralgien zugeordnet werden, so wie hier abgebildet.
Formal muss aber gesagt werden, dass es sich nicht um eine Untergruppe handelt, sondern
um unterschiedliche Kriterien in der Definition: Die Arthralgie ist ein Symptom, die Arthrose
ist eine Erkrankung. Es gibt allerdings auch eine Überschneidung
zwischen der Arthrose und der Arthritis. Ein von Arthrose befallenes Gelenk kann sich im
Verlauf entzünden, man nennt das Aktivierte Arthrose. Dies passiert, wenn abgeriebenes
Knorpel- oder Knochenmaterial eine Entzündung im Gelenk hervorruft. In dem Fall klagt der
Patient über Gelenkschmerzen und das Gelenk ist geschwollen. Die aktivierte Arthrose ist
damit eine Arthritis und eine wichtige Differentialdiagnose anderer entzündlicher Gelenkerkrankungen.
Zugegeben, das waren schon sehr viele Begriffe. Das schwierige daran ist, dass viele der Begriffe
das griechische Arthros für Gelenk enthalten. Wie sie definiert sind, kann aber ganz unterschiedlich
sein. Du solltest dir merken, dass die Arhritis und die Arthralgie Symptome sind, nämlich
Gelenkschmerzen mit beziehungsweise ohne Schwellung des Gelenks. Sie können im Rahmen von unterschiedlichen
Erkrankungen auftreten, wobei die Arthritis das spezifischere Symptom von beiden ist.
Arthritiden gehen nämlich fast immer mit einer Schwellung einher! Im Gegensatz dazu
bezeichnet der Begriff Arthrose bereits eine Art der Gelenkerkrankung, nämlich eine degenerative,
primär nicht-entzündliche Erkrankung. Nachdem wir diese Begriffe nun eingeordnet haben,
wollen wir uns im nächsten Schritt der Anamnese widmen.