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Die Primäre Hämostase - verknüpft mit Erkrankungen und Medikamenten
Willkommen zum Thema Blutstillung. In dieser Reihe haben wir etwas besonderes für dich
vorbereitet. Wir wollen dir die Physiologie der Blutstillung vorstellen und diese an den
passenden Stellen mit den wichtigsten Erkrankungen und Medikamenten verknüpfen. Eine pathophysiologische
Herangehensweise also! Aber neben den Details wollen wir uns auch
das größere Bild anschauen. Thromben können im arteriellen und im venösen System entstehen,
wobei sich die medikamentöse Prophylaxe unterscheidet. Die Verknüpfung, auf die wir am Ende dieser
Folge zurückkommen wollen, ist folgende: Im Rahmen von artherosklerotischen Erkrankungen
sind Thrombozyten entscheidend an der Einleitung der Gerinnung beteiligt.
Thromben im arteriellen System können deshalb gut mit Thrombozytenaggregationshemmern wie
*** vorgebeugt werden. Im venösen System sind die Thrombozyten ebenfalls vorhanden,
spielen aber nur eine untergeordnete Rolle. Das Risiko ist hier der wesentlich langsamere
Blutfluss der dazu führt, dass Fibrin-Thromben spontan in der Gefäßbahn entstehen können.
Thromben im venösen System lassen sich daher besser mit Antikoagulantien, wie z.B. Cumarinen
behandeln. Jetzt aber auf ins Thema mit einer kurzen
Übersicht zur Hämostase. Aus didaktischen Gründen teilen wir die Hämostase
in zwei Teilschritte auf: die Primäre und die Sekundäre Hämostase. Die Primäre Hämostase
hat zum Ziel die Blutung zu stoppen, was durch die Anlagerung von Thrombozyten an die Gefäßläsion
erreicht wird. So entsteht ein Thrombus, der aufgrund des Fehlens von Erythrozyten als
weißer Thrombus bezeichnet wird. Der Thrombus selbst droht sich zu lösen und
muss daher durch die sekundäre Hämostase stabilisiert werden. Im Rahmen der sekundären
Hämostase werden Gerinnungsfaktoren umgesetzt, welche ein Netz aus Fibrin bilden, das den
Thrombus festigt. Dadurch, dass sich nun Erythrozyten im Fibrinnetz verfangen, wird der Thrombus
auch als roter Thrombus bezeichnet. Die sekundäre Hämostase wird auch Blutgerinnung genannt.
Auf die Blutgerinnung folgt die Fibrinolyse. Die Fibrinolyse löst das Blutgerinnsel auf
und leitet die Wundheilung ein. In dieser ersten Folge zur Blutstillung schauen
wir uns die primäre Hämostase genauer an. Los geht’s!
Wie die Hämostase selbst, kann die primäre Hämostase auch in zwei Teilschritte unterteilt
werden: die vaskuläre und die thrombozytäre Blutstillung.
Das Prinzip der vaskulären Blutstillung lässt sich in wenigen Sätzen beschreiben.
Nach einer Gefäßverletzung kommt es innerhalb von Sekunden zu einer Kontraktion der glatten
Muskelzellen in der Umgebung der Läsion. Die Kontraktion scheint reflektorisch abzulaufen
und ist eine Reaktion auf die Reizung der glatten Muskulatur. Ganz genau ist der Vorgang
allerdings noch nicht verstanden. Diese erste Gefäßkontraktion dauert ca. 60 Sekunden
und wird im Verlauf durch Substanzen aus den Thrombozyten unterstützt.
Die Folge der Vasokonstriktion ist eine direkte Verringerung des Blutverlustes durch die Verkleinerung
der Gefäßverletzung und eine Umleitung des Blutstroms. Damit ist das Prinzip der vaskulären
Blutstillung bereits erklärt. Wenn wir allerdings noch ein bisschen genauer hinschauen, lässt
sich noch ein zweiter Punkt aus diesem Vorgang ableiten:
Die Vasokonstriktion führt nämlich auch zu einer Erhöhung der Scherkräfte im Gefäß.
Der Begriff Scherkraft, kommt aus der Physik und nur ganz kurz zur Veranschaulichung: Scherkräfte
entstehen zum Beispiel zwischen zwei Flächen, die parallel zueinander verschoben werden.
Doch wo entstehen im Blut Scherkräfte? Wenn wir uns eine laminare Strömung vorstellen,
dann fließt das Blut im Zentrum des Gefäßes schneller als an der äußeren Gefäßwand.
Zwischen diesen unterschiedlich schnell fließenden Schichten entstehen Scherkräfte. Die Scherkräfte
sind aufgrund der Reibung mit der Gefäßwand außen am größten und nehmen zum Gefäßinneren
hin ab. Warum ist das für die Medizin relevant? Entsprechend
der Scherkräfte verteilen sich die Zellen im Blutgefäß unterschiedlich. Große Zellen,
wie Erythrozyten und Leukozyten, strömen eher in der Mitte, um den Scherkräften am
Rand des Gefäßes auszuweichen.
Die kleineren Thrombozyten werden hingegen an die Gefäßwand gedrängt und ihre Anlagerung
an die Gefäßverletzung wird dadurch begünstigt. Dies ist der zweite Effekt, der im Rahmen
der vaskulären Blutstillung auftritt.
Wir wollen die wichtigsten Aspekte der vaskulären Blutstillung nochmal kurz in einem Steckbrief
zusammen fassen. Nach der Verletzung eines Blutgefäßes kommt es zur Vasokonstriktion,
die sowohl den Blutverlust vermindert, als auch die Scherkräfte erhöht. Die Scherkräfte
bewirken, dass sich die Thrombozyten besser anlagern können. Wie wir im nächsten Abschnitt
sehen werden, sind die Thrombozyten nämlich sehr gut darin, sich an Gefäßläsionen anzulagern,
insbesondere bei hohen Scherkräften.
Die thrombozytäre Blutstillung hat das Ziel die Läsion abzudichten und die Blutung zu
stoppen. Sie beginnt mit der Thrombozytenadhäsion:
Im intakten Blutgefäß werden die Thrombozyten durch das Endothel vom Bindegewebe des Subendothels
getrennt. Kommt es nun zur Beschädigung des Endothels, werden Kollagenfasern freigelegt
und die Thrombozyten können sich anlagern. Hierzu benötigen die Blutplättchen den sogenannten
von-Willebrand-Faktor, im Bild abgekürzt mit vWF.
Der von-Willebrand-Faktor wird unabhängig von einer Gefäßverletzung in den Endothelzellen
gebildet und ins Blut sezerniert. Im Falle einer Gefäßverletzung lagert sich der von
Willebrand Faktor an die freiliegenden Kollagenfasern. Thrombozyten besitzen ihrerseits den von-Willebrand-Rezeptor,
abgekürzt als vWR. Über den von-Willebrand-Rezeptor binden die Thrombozyten an den von-Willebrand-Faktor.
Der bis hierhin beschriebene Prozess wird als Thrombozytenadhäsion bezeichnet und ist
der Ausgangspunkt für die Thrombozytenaktivierung. Doch bevor es mit der Aktivierung weitergeht,
wollen wir kurz drei Erkrankungen besprechen:
Die erste Erkrankung, ist das von-Willebrand-Jürgens-Syndrom, welches die häufigste angeborene Gerinnungsstörung
ist. Dem von-Willebrand-Jürgens-Syndrom liegt ein Defekt oder ein Mangel des von-Willebrand-Faktors
zugrunde. Es kommt zu einer Störung der Thrombozytenadhäsion und einer Blutungsneigung. Insgesamt können
drei Typen unterschieden werden, bei denen die Blutungsneigung jeweils unterschiedlich
stark ausgeprägt ist. Mehr Informationen dazu findest du über den Link zur Lernkarte.
Eine pathologisch gesteigerte Thrombozytenadhäsion findet sich bei einer Erkrankung mit dem komplizierten
Namen: thrombotisch-thrombozytopenische Purpura, abgekürzt TTP. Wir haben bisher gesagt, dass
der von-Willebrand-Faktor von den Endothelzellen gebildet wird. Wir haben dir allerdings noch
einen Aspekt zur Physiologie vorenthalten. Der von-Willebrand-Faktor liegt zunächst
in Form von großen Molekülen im Plasma vor, wo er rasch durch eine Protease in kleinere
Untereinheiten gespalten wird. Diese Protease ist unter dem Namen ADAMTS13 bekannt. Durch
den Vorgang wird die Aktivität des von-Willebrand-Faktors reguliert und er verhindert eine vorzeitige
Zusammenlagerung der Thrombozyten im Gefäß. Für die TTP ist eine verminderte Aktivität
der ADAMTS13 ursächlich, die meist durch Autoantikörper verursacht wird.
Sinkt die Aktivität der Protease im Blut auf unter 10 Prozent, kommt es zu überlangen
von-Willebrand-Molekülen, an die sich Thrombozyten an lagern und so zu Thromben führen. Da hierbei
zahlreiche Thrombozyten verbraucht werden, leiden die Patienten typischerweise gleichzeitig
unter einer Thrombozytopenie, die mit einer Blutungsneigung einhergeht. Dies erklärt
den Namen der thrombotisch-thrombozytopenischen Purpura.
Als nächstes soll es um die Thrombozytopenie gehen. Der gesunde Mensch besitzt ca. 150.000
bis 400.000 Thrombozyten pro Mikroliter Blut. Fällt die Zahl der Thrombozyten unter 150.000
pro Mikroliter, sprechen wir von einer Thrombozytopenie. Eine Störung der primären Blutstillung kann
die Folge sein. Allerdings ist die thrombozytäre Hämostase
auch noch mit weit weniger Thrombozyten funktionsfähig und kann spontane Blutungen verhindern. Sofern
keine Grunderkrankungen oder Gefäßverletzungen z.B. durch Traumata oder Operationen vorliegen,
genügen für das Gleichgewicht ca. 7000 Thrombozyten pro Mikroliter Blut. Das heißt ein Patient
auf Station kann auch mit 7000 Thrombozyten pro Mikroliter noch asymptomatisch sein - ein
invasiver Eingriff darf jedoch nicht vorgenommen werden.
OK, wir wollen die drei Beispiele zu den Störungen der Thrombozytenadhäsion nochmal ganz kurz
zusammenfassen. Eine Störung des von-Willebrand-Faktors und ein Mangel an Thrombozyten können zu
einer verminderten Adhäsion führen. Eine Störung der Protease ADAMTS13 hat hingegen
eine gesteigerte Adhäsion zur Folge, die zur Thrombenbildung innerhalb der Gefäße
führt.