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Übersetzung: Yvonne Balzer Lektorat: Johanna Pichler
Wenn Sie hochwertiges, preiswertes Kokain kaufen wollen,
gibt es eigentlich nur einen Ort:
die anonymen Märkte des Darknet.
Auf diese Seiten gelangt man aber nicht mit einem normalen Browser,
wie Chrome oder Firefox,
denn sie befinden sich in einem verborgenen Teil des Internets,
bekannt als Hidden Services im Tor-Netzwerk,
wo URLs aus sinnlos aneinandergereihten Zahlen und Buchstaben bestehen
und auf .onion enden.
Man greift darauf mit dem sogenannten "Tor"-Browser zu.
Der Tor-Browser war ursprünglich
ein Projekt des Nachrichtendienstes der US-Marine,
wurde dann Open Source,
und nun kann jeder damit im Internet surfen,
ohne seinen Standort preiszugeben.
Der Browser verschlüsselt Ihre IP-Adresse
und leitet sie dann weltweit über andere Computer um,
die die gleiche Software nutzen.
Sie können ihn im normalen Internet einsetzen,
er ist aber auch Ihr Schlüssel zum Darknet.
Aufgrund dieses teuflisch klugen Verschlüsselungsstandards
sind die -- wir wissen nicht genau wie viele -- 20-30 000 Websites,
die dort betrieben werden,
ungemein schwierig abzuschalten.
Es ist eine Welt ohne Zensur, die anonym genutzt wird.
Kein Wunder also,
dass dies der logische Ort für alle ist, die etwas zu verbergen haben.
Dieses "etwas" muss natürlich nicht zwangsläufig illegal sein.
Im Darknet findet man
Whistleblower-Seiten, The New Yorker.
Man findet Blogs von Polit-Aktivisten.
Man findet Raubkopie-Bibliotheken.
Man findet aber auch
Drogenhandel,
illegale Pornographie,
kommerzielle Hacking-Dienstleister
und vieles mehr.
Das Darknet ist einer der interessantesten, aufregendsten Orte
im gesamten Netz.
Der Grund dafür ist:
Obwohl Innovation selbstverständlich in großen Unternehmen
und Weltklasse-Universitäten stattfindet,
gibt es sie auch in den Randzonen,
denn die Leute in den Randzonen -- die Ausgestoßenen, die Verbannten --
sind oft am kreativsten, weil sie dazu gezwungen sind.
In diesem Teil des Internets
finden Sie keine einzige Lolcat oder Pop-Up-Werbung.
Meiner Meinung werden vor allem aus diesem Grund
viele der hier Anwesenden sehr bald im Darknet auftauchen.
(Lachen)
Ich will nicht unterstellen, dass irgendjemand hier das Darknet
zum Erwerb hochwertiger Suchtmittel nutzen würde.
Aber mal angenommen, Sie tun es.
(Lachen)
Haben Sie etwas Geduld mit mir.
Als Erstes wird Ihnen bei der Anmeldung auf einer solchen Website auffallen,
wie vertraut sie aussieht.
Jeder einzelne Artikel --
von tausenden Artikeln --
hat ein Hochglanzfoto in bester Auflösung,
eine detaillierte Produktbeschreibung,
einen Preis.
Es gibt ein "Zur Kasse gehen"-Symbol.
Es gibt sogar -- das beste von allem --
einen "Produkt melden"-Button.
(Lachen)
Unglaublich.
Sie durchstöbern die Website, wählen etwas aus,
bezahlen mit der Kryptowährung Bitcoin,
Sie geben eine Adresse ein -- möglichst nicht Ihre Wohnanschrift --
und warten darauf, dass Ihre Ware mit der Post geliefert wird,
was auch fast immer geschieht.
Der Grund dafür ist nicht die schlaue Verschlüsselung.
Das ist wichtig. Es ist viel einfacher als das:
die Kundenrezensionen!
(Lachen)
Es ist so: Alle Anbieter auf diesen Seiten
nutzen selbstverständlich Decknamen,
aber sie behalten ihre Decknamen, um sich einen guten Ruf aufzubauen.
Weil die Käufer problemlos jederzeit die Anbieter wechseln können,
wird ihnen nur vertraut,
wenn diese eine positive Bilanz
in ihren Nutzerbewertungen vorweisen.
Diese Einführung von Wettbewerb und Wahlmöglichkeit
verursacht exakt das, was Wirtschaftsexperten erwarten würden:
Preise fallen tendenziell, während die Produktqualität steigt.
Die Anbieter sind aufmerksam, höflich, kundenorientiert.
Es gibt allerlei Sonderangebote, einmalige Angebote,
Zwei-zum-Preis-von-einem-Angebote, kostenlose Lieferung,
alles, um Sie bei Laune zu halten.
Ich trat in Kontakt mit Drugsheaven.
Drugsheaven bot "ausgezeichnetes Marihuana in gleichbleibender Qualität
zu einem vernünftigen Preis" an.
Er hatte großzügige Rückerstattungs-Regeln,
detaillierte Geschäftsbedingungen
und gute Lieferfristen.
"Lieber Drugsheaven,"
schrieb ich im internen E-Mail-System,
das natürlich ebenfalls verschlüsselt ist.
"Ich bin neu hier. Ist es auch möglich, bloß ein Gramm Marihuana zu kaufen?"
Einige Stunden später kam die Antwort. Man bekommt immer eine Antwort.
"Hallo, danke für die E-Mail!
Es ist sehr vernünftig, klein anzufangen. An Ihrer Stelle würde ich das auch tun."
(Lachen)
"Kein Problem, wenn Sie anfangs nur ein Gramm wollen.
Ich hoffe, wir kommen ins Geschäft.
Viele Grüße, Drugsheaven."
(Lachen)
Den hochgestochenen englischen Akzent hab ich mir so vorgestellt.
(Lachen)
Aufgrund dieser kundenorientierten Einstellung
wurden in 95 Prozent der 120 000 Rezensionen,
die ich auf diesen Seiten drei Monate lang geprüft habe,
fünf von fünf Sternen gegeben.
Sie sehen, der Kunde ist König.
Doch was heißt das?
Einerseits bedeutet es,
dass mehr Drogen für mehr Menschen verfügbar und leichter erwerbbar sind.
Und nach meiner Einschätzung ist das nicht gut.
Aber andererseits, wenn Sie nun einmal Drogen nehmen wollen,
haben Sie so immerhin eine ziemlich gute Möglichkeit,
ein gewisses Maß an Reinheit und Qualität zu gewährleisten.
Das ist ungeheuer wichtig, wenn man Drogen nimmt.
Das können Sie sogar bequem von zu Hause aus tun,
ohne die Risiken des Straßenkaufs einzugehen.
Wie schon gesagt, wer in diesem Markt überleben will,
muss kreativ und innovativ sein.
Die über zwanzig Seiten, die momentan in Betrieb sind ...
Nebenbei bemerkt, die funktionieren nicht immer perfekt.
Die Seite, die ich Ihnen zeigte, wurde vor 18 Monaten abgeschaltet,
aber erst nachdem sie
über eine Milliarde Dollar Umsatz gemacht hatte.
Aber aufgrund der schwierigen, ungastlichen Bedingungen,
unter welchen diese Märkte operieren,
müssen sie sich ständig selbst erneuern,
und klüger, dezentraler, schwerer zu zensieren
und kundenfreundlicher werden.
Beispielsweise das Zahlungssystem:
Man zahlt natürlich nicht mit Kreditkarte,
das wäre ja direkt zurückverfolgbar.
Man benutzt die Kryptowährung Bitcoin,
die bequem in echte Währungen gewechselt werden kann
und den Nutzern ein sehr hohes Maß an Anonymität gewährt.
Aber gleich zu Beginn hat man eine Schwachstelle festgestellt:
Einige skrupellose Händler
zogen mit den Bitcoins ihrer Kunden ab,
ohne die Drogen zu verschicken.
Die Netzgemeinschaft fand die Lösung: die Multi-Signatur-Treuhandabwicklung.
Wenn ich also mein Produkt kaufe,
schicke ich meine Bitcoins
an ein neutrales, sicheres, drittes Cyberwallet.
Der Verkäufer sieht, dass ich Geld gesandt habe
und weiß, dass mein Produkt verschickt werden kann.
Wenn ich es erhalten habe,
müssen mindestens zwei der drei Beteiligten --
Anbieter, Käufer, Website-Administrator --
die Transaktion mit einer einzigartigen, digitalen Signatur abzeichnen.
Erst dann wird das Geld überwiesen.
Genial!
Elegant.
Es funktioniert.
Aber dann entdeckten sie ein Problem mit Bitcoins:
Jede Bitcoin-Transaktion wird öffentlich verzeichnet.
Wer schlau ist, kann versuchen herauszufinden, wer dahinter steckt.
Also haben sie einen Anonymisierer entwickelt:
Hunderte Leute schicken ihre Bitcoins an eine Adresse,
dort werden sie durcheinandergeschüttelt,
dann wird der korrekte Betrag an die richtigen Empfänger geschickt.
Es sind aber andere Bitcoins --
ein Mikro-Geldwäsche-System!
(Lachen)
Es ist unglaublich!
Wollen Sie wissen, welche Drogen gerade auf den Darknet-Märkten angesagt sind?
Probieren Sie die Suchmaschine Grams aus.
Sie können sogar Werbefläche kaufen!
(Lachen)
Sind Sie ein ethischer Konsument
und die Machenschaften der Drogenindustrie beunruhigen Sie?
Ja.
Ein Verkäufer bietet fair gehandeltes Bio-Kokain an,
(Lachen)
das nicht von kolumbianischen Drogenbossen bezogen wird,
sondern von guatemaltekischen Bauern.
Es wird sogar versprochen,
dass 20 Prozent des Erlöses an lokale Bildungsprogramme gehen.
(Lachen)
Es gibt sogar einen Testkäufer.
Egal, was Sie von der Moral dieser Seiten halten --
und ich gestehe, dass das gar keine so leichte Frage ist --
die Erschaffung funktionierender, wettbewerbsfähiger, anonymer Märkte,
in denen niemand weiß, wer der andere ist,
die ständig in Gefahr sind, von den Behörden stillgelegt zu werden,
ist eine enorme Leistung,
eine überragende Leistung.
Genau wegen dieser Art von Innovation sind die Leute in den Randzonen
oft Vorboten der Zukunft.
Weil das Internet noch so jung ist,
vergisst man leicht,
dass das Internet sich in den letzten 30 Jahren
schon oft gewandelt hat.
Es begann in den 70ern als Militärprojekt,
verwandelte sich in den 80ern in ein akademisches Netzwerk,
wurde in den 90ern von kommerziellen Unternehmen vereinnahmt,
und in den 2000ern fielen wir alle durch die sozialen Medien dort ein.
Ich denke aber, es wird sich erneut verändern.
Ich glaube, solche Dinge wie die Darknet-Märkte --
kreativ, sicher, schwer zu zensieren --
die sind die Zukunft.
Denn wir alle sind um unsere Privatsphäre besorgt.
Umfragen zeigen regelmäßig Bedenken bezüglich des Datenschutzes.
Je mehr Zeit wir online verbringen, desto beunruhigter sind wir.
Diese Umfragen zeigen, dass unsere Besorgnis wächst:
Wir machen uns Sorgen, was mit unseren Daten geschieht
und wer uns beobachten könnte.
Seit Edward Snowdens Enthüllungen ist die Zahl der Menschen,
die Mittel zur Verbesserung ihres Datenschutzes nutzen,
massiv angestiegen.
Der Tor-Browser hat mittlerweile zwei bis drei Millionen tägliche Nutzer.
Die Mehrzahl von ihnen nutzt ihn zu völlig rechtmäßigen,
manchmal sogar banalen Zwecken.
Weltweit gibt es hunderte Aktivisten,
die an Techniken und Hilfsmitteln arbeiten,
die Ihre Privatsphäre im Netz schützen:
Nachrichtensysteme mit voreingestellten Verschlüsselungs-Standards;
das Ethereum-Projekt, das die verbundenen, aber ungenutzten Festplatten
von Millionen Computern weltweit vernetzen soll,
um eine Art dezentralisiertes Internet zu kreieren,
das von keinem wirklich gesteuert wird.
Verteiltes Rechnen gibt es natürlich schon länger.
Wir nutzen es für alles, von Skype bis zur Suche nach Aliens.
Aber wenn man verteiltes Rechnen und leistungsstarke Verschlüsselung verbindet,
wird Zensur oder Steuerung sehr, sehr schwierig.
MaidSafe basiert auf ähnlichen Prinzipien.
Dann gibt es noch Twister und so weiter.
Die Sache ist die:
Je mehr von uns mitmachen,
desto interessanter werden diese Websites, desto mehr machen mit usw.
Ich denke, so wird es geschehen.
Das tut es eigentlich schon jetzt.
Das Darknet ist nicht länger ein Versteck für Dealer und Whistleblower.
Es wird zum Massenphänomen.
Kürzlich veröffentlichte der Musiker Aphex Twin sein Album im Darknet,
Facebook hat eine Darknet-Seite erstellt.
Eine Gruppe Londoner Architekten betreibt jetzt eine Darknet-Seite
für Leute, die sich wegen Sanierungsprojekten sorgen.
Ja, das Darknet wird Mainstream!
Ich sage voraus, dass schon bald
alle sozialen Medien, alle großen Nachrichtenagenturen,
und damit auch die meisten von Ihnen hier im Publikum,
das Darknet nutzen werden.
Das Internet wird also demnächst interessanter,
aufregender, innovativer,
schrecklicher, zerstörerischer.
Das sind gute Nachrichten,
wenn Ihnen Rechte, Freiheiten
und Demokratie am Herzen liegen.
Das sind auch gute Nachrichten,
wenn Sie nach illegaler Pornographie suchen
und ungestraft Drogen kaufen oder verkaufen wollen.
Weder völlig düster, noch völlig hell.
Weder die eine noch die andere Seite wird gewinnen, sondern beide.
Vielen Dank!
(Applaus)