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Ich gehöre ja zu jener Generation von Spielern, für die LucasArts und Monkey Island im Speziellen
das Nonplusultra des Adventure-Genres darstellen.
Obwohl diese Titel mittlerweile 25 Jahre auf dem Buckel haben, schaffen es aktuelle Vertreter
einfach nicht, diese vom Thron zu stoßen.
Klar, das hat etwas Absurdes – stellt euch vor, ihr spielt Call of Duty oder Halo und
fragt euch ständig, ob Wolfenstein 3D nicht besser war –, aber gerade im Adventuregenre
macht es irgendwie Sinn: Damals waren die Puzzlespiele eines der wichtigsten Genres
überhaupt, bekamen (für die damalige Zeit) hohe Entwicklungsbudgets und waren international
beliebt.
Den Höhepunkt dieser Entwicklung erreichten wir in den frühen 90ern, als sich die Adventure-Hits
die Klinke in die Hand gaben.
Und zu diesem Zeitpunkt erschien auch Indiana Jones and the Fate of Atlantis, von mir noch
immer liebevoll Indiana Jones 4 genannt.
Bis heute eines meiner Lieblingsspiele – und von mir regelmäßig schmerzlich vermisst.
Indiana Jones and the Fate of Atlantis spielt im Jahr 1939, knapp vor dem Ausbruch des Zweiten
Weltkriegs.
Die Nazis versuchen, den verlorenen Kontinent zu entdecken und die dortigen Entdeckungen
im Krieg einzusetzen – klar, dass Indy etwas dagegen hat.
Also verbündet er sich mit einer alten Flamme, der Ex-Archäologin und dem nunmehrigem Medium
Sophia Hapgood, um Atlantis aufzuspüren und vor den Nazis zu erreichen.
Was folgt, ist eine typische Indiana Jones-Geschichte mit wechselnden Schauplätzen, die sich hauptsächlich
rund ums Mittelmeer befinden.
Außerdem gibt es einen in Adventures selten vorkommenden Twist: Das zweite Drittel der
Handlung kann nämlich nicht auf eine, sondern gleich auf drei Arten durchgespielt werden.
Zwar gibt es immer wieder Puzzles, die auf verschiedene Art gelöst werden können, aber
an einem Punkt muss sich der Spieler entscheiden, welchem Pfad er folgen wollte, und je nachdem
verändert sich das Spiel grundlegend: Im Action-Pfad gibt es die leichtesten Rätsel,
aber mehrere Faustkämpfe; im Duo-Pfad zieht Indy mit Sophia los, was ihm die Lösung einiger
Aufgaben erleichtert; und im Solo-Pfad warten die schwersten Puzzles auf Dr.
Jones.
Natürlich unterschieden sich die drei Wege nicht völlig voneinander – im Gegenteil,
schnell erkannte meine damalige Adventure-Runde (ja, damals saß man noch in der Schule und
sprach über die Lösungen von Adventures), dass der Action-Pfad oft wertvolle Hinweise
auf den Solo-Pfad gab, weil hier einfach gewisse Dinge, die man solo erst knacken musste, auf
dem Actionweg schon gelöst waren.
Auch bereiste man ungefähr dieselben Locations – mit einigen Ausnahmen.
Dass das Spiel hier nicht völlig in verschiedene Richtungen geht, ist aber auch logisch, denn
im letzten Drittel führen alle drei Pfade wieder zusammen – auf das Endgame hatte
die Wahl keinen Einfluss mehr.
Dennoch wurde man durch diese Dreiteilung ausgezeichnet beschäftigt, und die Motivation,
das Spiel mehrfach durchzuspielen, stieg gewaltig.
Immerhin gab es jedes Mal einen guten Mix aus alt bekanntem und neuen Material zu sehen
und die Frage „wie genau passen die Puzzlesteine diesmal zusammen“ stand öfters im Raum.
Generell war Fate of Atlantis ein herausragendes Adventure - nicht nur der damaligen Zeit.
Das Spiel hatte eine großartige Länge (selbst wenn man die Lösung kennt, ist man einige
Stunden beschäftigt), die Figuren waren toll animiert und der Soundtrack brachte Kinofeeling
auf – kein Wunder, dass sich viele Fans wünschten, dass dieses Spiel eines Tages
als Film auf die Leinwand kommt.
Es waren aber vor allem die vielen fantasievollen Locations, das Indy-Flair und die Puzzles,
die das Spiel in den Adventureolymp brachten.
Anders als Monkey Island, das oft mit surrealem Humor punktete (und so so manches Puzzle unglaublich
schwer machte), war Indy stets in der Realität verankert, was die Rätsel oft einfacher zu
durchschauen machte.
Gut, heute würde man lange Laufwege kritisieren, die besonders wegen der fehlenden Hotspotanzeige
(man übersieht Items recht leicht) bzw. des Risikos, noch wichtige Gegenstände irgendwo
zurückzulassen, zum Problem werden könnten.
Aber damals war es nicht anders üblich und wenigstens kann man kaum hängen bleiben.
(auch wenn, eher untypisch für ein LucasArts-Spiel der damaligen Zeit, man durchaus (vor allem
beim Kämpfen) sterben kann.
Hier sollte man lieber einmal zu oft als einmal zu selten speichern).
Dass Indiana Jones and the Fate of Atlantis zu einem solchen Erfolg wurde, war von vornherein
gar nicht so einfach absehbar.
Man wusste zwar rasch, dass man nach dem Erfolg von Indiana Jones and the Last Crusade ein
Sequel entwickeln wollte, doch die erfahrenen Adventure-Spezialisten von LucasArts arbeiteten
gerade an Monkey Island und The Dig.
Deshalb vertraute man Hal Barwood das Spiel an, der vor allem als Autor und Producer von
Filmen Erfahrung gesammelt hatte.
Zuerst hätte er Indiana Jones and the Monkey King umsetzen sollen, ein Treatment, das George
Lucas auf der Suche nach Inhalten für den dritten Film geschrieben und Chris Columbus
zum Drehbuch ausgearbeitet hatte.
Barwood zeigte sich allerdings nicht begeistert und entschloss sich, eine eigene Story zu
entwickeln.
In der Bibliothek der Skywalker Ranch wurde man schließlich fündig und entschloss sich,
Atlantis zum Thema des Spiels zu machen.
Viele Ideen, die sich im Spiel finden, entstammen der Pseudo-Wissenschaft, die sich um Atlantis
aufgebaut hatte, aber auch tatsächlich den Dialogen von Plato.
Mithilfe ihrer Recherchen schrieben Barwood und Director Noah Falstein die Story und Barwood
danach die Dialoge.
Die Idee, den Mittelteil aufzuspalten, kam von Falstein und fügte noch einmal sechs
Monate Entwicklungszeit hinzu – so kam das Projekt schlussendlich auf knapp zweieinhalb
Jahre zwischen Projektstart Frühjahr 1990 und Release Mitte 1992.
Ein Jahr später folgte die „Talkie“-Version auf CD-ROM, für die allerdings Harrison Ford
nicht zur Verfügung stand.
Dieser Aufwand zahlte sich allerdings durchaus aus, denn Indiana Jones and the Fate of Atlantis
wurde mit hohen Wertungen und Auszeichnungen überhäuft.
Auch die Verkaufszahlen waren großartig – kein Wunder, dass man gleich darauf mit der Arbeit
an einem Sequel begann.
Nie davon gehört?
Kein Wunder: Indiana Jones and the Iron Phoenix wurde zwar fünfzehn Monate lang entwickelt
und dann auf der ECTS angekündigt, sollte aber nie das Licht der Welt erblicken.
Warum?
Ganz einfach: Schon damals war der deutsche Markt unglaublich wichtig für Adventures
(immerhin ist er auch heute eine der letzten Hochburgen des Genres, das seit den 90ern
massiv an Bedeutung verloren hatte).
Doch kaum war der Öffentlichkeit präsentiert, dass sich das Spiel rund um ein Artefakt drehen
würde, mit dem entflohene Nazis nach dem zweiten Weltkrieg Hitler wiederauferstehen
lassen würden, meldeten Mitarbeiter aus Deutschland ihre Bedenken an, dass ein solches Spiel wohl
kaum in Deutschland veröffentlicht werden könnte.
Schweren Herzens wurde das Projekt ebenso eingestampft wie Indiana Jones and the Spear
of Destiny, das ein Studio in Kanada als Auftragswerk entwickeln sollte.
Beide Storys wurden später als Comics veröffentlicht.
Doch kehren wir zu Fate of Atlantis zurück.
In mein Leben trat das Spiel erstmals anhand eines Reviews, das sich 1992 in einem Videospielmagazin
fand.
Damals war ich gerade dank der ersten beiden Monkey Islands so richtig auf den Videospielgeschmack
gekommen – und musste gleich den ersten Tiefschlag einstecken: Indiana Jones and the
Fate of Atlantis sollte nicht für Amiga (den ich zuhause hatte), sondern nur für PC – den
ich eben nicht zuhause hatte – erscheinen.
Das Spiel sei zu groß, um ohne Festplatte gespielt zu werden, hieß es.
Doch scheinbar war nicht nur ich enttäuscht und LucasArts entschied sich dennoch eine
Amiga-Fassung zu erstellen, die es allerdings in sich hatte.
Gut, die elf Disketten waren jetzt gar nicht so abschreckend – immerhin hatte auch Monkey
Island 2 schon so viele Disks gehabt und war dank Zweitfloppy ganz gut zu spielen gewesen.
Bei Fate of Atlantis hatte man allerdings scheinbar mehr Mühe gehabt, die Spieldaten
irgendwie auf elf Mal 720 KB unterzubringen, sodass man regelrecht zum Diskjockey mutierte.
Mein Lieblingsbeispiel ist wohl die Messerwerf-Szene, bei der man mehrere Disketten einlegen musste,
bis das Messer endlich flog – und auch die Tatsache, dass die Kletteranimation scheinbar
nur auf einer Disk zu finden war, machte häufiges Diskwechseln nötig.
Doch immerhin konnte ich das Spiel so bereits die ersten Male durchspielen.
Interessanterweise war ich damals gar nicht so sehr an den anderen Pfaden interessiert:
So oft oft ich damals schon Atlantis entdeckte, gelangte ich immer auf Team-Wegen dorthin.
Die alternativen Routen sah ich dann erst deutlich später in den PC-Version – dafür
hatte ich dort umso mehr Spaß damit, jene Pfade, die ich noch nicht kannte, zu ergründen
und auf Unterschiede zu untersuchen.
Apropos „untersuchen“: Schön mitanzusehen war für mich auch, wie man reale Locations
einsetzte, um das Spiel in der Wirklichkeit zu verankern.
Unvergesslich ist für mich, als ich das erste Mal in Kreta die Ausgrabungsstellen von Knossos
betrat und so manches Detail aus Fate of Atlantis wiedererkannte.
Fast wollte ich mir ein Vermessungsgerät schnappen und nach der Stelle suchen, an der
ich nach dem Mondstein graben muss.
Aber auch das ist eine der Stärken von Indiana Jones and the Fate of Atlantis: Man erschuf
eine Geschichte, die auf der Realität fußte.
Also: Warum ist Fate of Atlantis für mich ein Spiel, das ich vermisse?
Wie so oft, aus vielen Gründen: Weil es das erste Indiana-Jones-Spiel war, das Film-Flair
ohne eine filmische Vorlage verbreitete – wie gesagt, für mich ist es noch immer Indy 4.
Weil es ein großartiges Adventure war, das Realismus mit Puzzles verknüpfte.
Weil die Idee mit drei verschiedenen Pfaden nie wieder so großartig realisiert wurde
– viele Adventures bieten zwar die Illusion der Wahl, aber dass ein Spiel wirklich drei
unterschiedliche Pfade, mit unterschiedlichen Puzzles und Variationen der Story bietet,
habe ich so nie wieder erlebt.
Weil es das letzte große Spiel war, das ich auf meinem Amiga gespielt habe – und für
immer ein Beispiel bleiben wird, warum die Zeit für Disketten eindeutig vorbei war.
Aber vor allem deshalb, weil es das letzte Abenteuer mit Dr.
Jones in einem Adventure bleiben sollte.
Schade, dass die beiden Nachfolger nie realisiert wurden – ich hätte ein weiteres 2D-Grafik-Adventure
dem 3D-Puzzler und Tomb-Raider-Klon Infernal Machine deutlich vorgezogen.