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Übersetzung: Michaela Hilbert Lektorat: Judith Matz
Billy geht in die Schule,
er setzt sich hin und der Lehrer fragt:
"Was macht dein Vater?"
Und Billy sagt: "Mein Vater spielt Klavier
in einer Opiumhöhle."
Der Lehrer ruft die Eltern an und sagt:
"Billy erzählte heute etwas Schockierendes.
Ihm zufolge spielen Sie Klavier
in einer Opiumhöhle."
Und der Vater sagt: "Tut mir sehr leid. Ja, es stimmt: Ich habe gelogen.
Aber wie erzähle ich einem Achtjährigen,
dass sein Vater Politiker ist?" (Gelächter)
Nun, wenn ich als Politiker hier vor Ihnen stehe,
oder auch vor Fremden irgendwo auf der Welt,
wenn ich schließlich verrate, was genau ich beruflich mache,
schauen mich die Menschen an, als wäre ich eine Mischung
aus Schlange, Affe und Leguan.
Und dadurch habe ich das starke Gefühl,
dass hier etwas falsch läuft.
Die Demokratie reift seit vierhundert Jahren,
meine Kollegen im Parlament sind meines Erachtens als Individuen
ziemlich beeindruckend und die Bevölkerung ist zunehmend
gebildet, aktiv und informiert, und trotzdem
herrscht ein tiefes, tiefes Gefühl der Enttäuschung.
Unter meinen Kollegen im Parlament sind zur Zeit
Hausärzte, Unternehmer, Professoren,
angesehene Ökonomen, Historiker, Schriftsteller,
Offiziere der Armee, vom Oberst bis hinunter zum Sergeant.
Alle, auch ich, fühlen, wenn wir unter diesen steinernen
Wasserspeiern die Straße hinunter gehen,
dass wir weniger als die Summe unserer Teile geworden sind,
als ob wir zutiefst an Wert verloren haben.
Und das ist nicht nur ein Problem in Großbritannien.
Es ist ein Problem in den Entwicklungsländern,
und auch in Ländern mit mittlerem Einkommen. In Jamaika etwa –
schauen Sie sich die Mitglieder des jamaikanischen Parlaments an,
oft sind es Rhodes-Stipendiaten,
die in Harvard oder Princeton studiert haben,
und doch gehen Sie nach Downtown Kingston
und Sie sehen einen der deprimierendsten Orte,
den Sie in einem Land der Welt mit mittlerem Einkommen sehen können:
eine düstere, bedrückende Landschaft
verbrannter und halb- verlassener Gebäude.
Das ist seit 30 Jahren so. Die Übergabe
1979, 1980 von einem Politiker, dem Sohn eines Rhodes-Stipendiaten
und Kronanwalts, an einen anderen,
der in Harvard in Wirtschaft promoviert hatte,
tötete über 800 Menschen in den Straßen
durch drogenbedingte Gewalt.
Vor zehn Jahren schien das Versprechen von Demokratie
jedoch außergewöhnlich. George W. Bush sagte
2003 in seiner Rede zur Lage der Nation
dass die Demokratie die Kraft war, die die meisten Übel
auf der Welt besiegen würde. Er sagte,
weil demokratische Regierungen ihre eigenen Leute
und ihre Nachbarn respektieren, wird Freiheit den Frieden bringen.
Zur selben Zeit behaupteten angesehene Wissenschaftler,
dass Demokratien unglaublich viele positive Nebeneffekte hätten.
Sie würden Wohlstand und Sicherheit bringen,
religiöse Gewalt überwinden
und sicherstellen, dass Staaten nie wieder Terroristen Unterschlupf gewährten.
Was ist seitdem passiert?
Nun, was wir beobachten konnten, zum Beispiel im Irak und in Afghanistan,
ist die Erschaffung demokratischer Regierungssysteme,
die bisher keinen dieser Nebeneffekte hatten.
In Afghanistan etwa hatten wir nicht nur eine
oder zwei Wahlen. Wir haben drei Wahlen durchlaufen,
für das Amt des Präsidenten und das Parlament. Und was finden wir vor?
Eine blühende Zivilgesellschaft, eine robuste Rechtsstaatlichkeit
und umfassende Sicherheit? Nein. Was wir in Afghanistan vorfinden,
ist eine Justiz, die schwach und korrupt ist,
eine stark eingeschränkte Zivilgesellschaft, die weitgehend wirkungslos ist,
Medien, die beginnen sich zu etablieren,
aber eine Regierung, die verhasst ist
und als zutiefst korrupt wahrgenommen wird,
und ein Maß an Sicherheit, das schockierend und schrecklich ist.
In Pakistan und weiten Teilen Afrikas südlich der Sahara
sehen Sie erneut, dass Demokratie und Wahlen vereinbar sind
mit korrupten Regierungen und mit Staaten,
die instabil und gefährlich sind.
Und wenn ich mit Menschen rede – ich erinnere mich
dabei an ein Gespräch im Irak
mit einer Gruppe, die mich fragte,
ob die Ausschreitungen, die sich gerade vor uns abspielten –
ein riesiger Mob plünderte ein Provinzratsgebäude
– ob dies ein Zeichen der neuen Demokratie sei.
Ich hatte das Gefühl, das Gleiche galt für fast jedes einzelne der
mittleren und Entwicklungsländer, in denen ich war,
und in gewisser Weise auch für uns.
Was ist die Antwort auf diese Frage? Liegt die Antwort darin,
die Idee der Demokratie einfach aufzugeben?
Nun, natürlich nicht. Es wäre absurd,
wenn wir uns erneut in Operationen wie denen im Irak
und in Afghanistan engagieren sollten
und uns plötzlich in einer Situation befinden würden,
in der wir irgendetwas anderes als
ein demokratisches System einführen würden.
Alles andere stünde im Widerspruch zu unseren Werten,
es würde dem Willen des Volkes vor Ort widersprechen,
und es stünde im Widerspruch zu unseren Interessen.
Ich erinnere mich an eine Zeit im Irak,
in der wir die Einführung der Demokratie sogar verzögern wollten.
Wir dachten, dass unsere Lektion aus Bosnien sei,
dass zu früh durchgeführte Wahlen
religiöse Gewalt und extremistische Parteien stärken.
Also wurde im Irak im Jahr 2003 die Entscheidung getroffen,
zwei Jahre lang keine Wahlen abzuhalten und lieber Wähler aufzuklären
und in Demokratisierung zu investieren.
In der Folge fand ich vor meinem Büro eine
riesige Menschenmenge vor – dies ist eigentlich ein Foto
aus Libyen, aber ich sah die gleiche Szene im Irak,
Menschen draußen, die schreiend Wahlen fordern,
und dann ging ich raus und sagte: "Was ist falsch
am vorläufigen Provinzrat?
Was ist falsch an den Menschen, die wir ausgewählt haben?
Es gibt einen sunnitischen Scheich, es gibt einen schiitischen Scheich,
es gibt Chefs der sieben bedeutendsten Stämme,
es gibt einen Christen, es gibt einen Sabier,
es gibt weibliche Vertreter, jede politische Partei ist in diesem Rat vertreten,
Was ist falsch an den Menschen, die wir ausgewählt haben?"
Als Antwort kam: "Das Problem sind nicht die Menschen,
die ihr ausgewählt habt. Das Problem ist, dass ihr sie ausgewählt habt."
Ich habe in Afghanistan, selbst in den abgelegensten Gemeinden,
niemanden getroffen, der kein Mitspracherecht
bei der Frage möchte, wer sie regiert.
Im abgelegensten Dorf habe ich keinen Dorfbewohner getroffen,
der keine Abstimmung möchte.
Wir müssen also anerkennen,
dass trotz der fragwürdigen Statistiken, trotz der Tatsache, dass
84 Prozent der Menschen in Großbritannien die Politik für kaputt halten,
dass trotz einer 2003 im Irak durchgeführten Umfrage,
in der wir die Menschen nach ihren bevorzugten politischen Systemen fragten,
und als Antwort bekamen, dass
sieben Prozent die Vereinigten Staaten wollten,
fünf Prozent Frankreich,
drei Prozent Großbritannien
und fast 40 Prozent Dubai, das schließlich
kein demokratischer Staat ist, aber eine relativ wohlhabende
kleinere Monarchie – dass Demokratie eine wertvolle Sache ist,
für die wir kämpfen sollten. Aber um dies zu tun,
müssen wir von diesen pragmatischen Argumenten wegkommen.
Wir müssen aufhören zu sagen, dass Demokratie wichtig ist
aufgrund der anderen Dinge, die sie mit sich bringt.
Wir müssen genauso von dem Gedanken abkommen,
dass Menschenrechte wegen ihrer Begleiterscheinungen wichtig sind,
oder dass Frauenrechte wegen ihrer Begleiterscheinungen wichtig sind.
Warum sollten wir von solchen Argumenten abkommen?
Weil sie sehr gefährlich sind. Wenn wir zum Beispiel anfangen zu sagen,
dass Folter falsch ist, weil sie keine guten Informationen
hervorbringt, dass wir Frauenrechte brauchen,
weil sie das Wirtschaftswachstum durch eine Verdoppelung der Arbeitskraft anregen,
dann haben Sie kein Gegenargument, wenn
die Regierung Nordkoreas sich umdreht und sagt:
"Naja, eigentlich, sind wir im Moment sehr erfolgreich darin,
gute Informationen durch Folter zu bekommen,"
oder wenn die Regierung von Saudi Arabien sagt:
"Tja, unserem Wirtschaftswachstum geht es gut, danke vielmals,
deutlich besser als eurem, also vielleicht sollten wir
dieses Frauenrechtsprogramm gar nicht erst einführen."
Das Wichtige an der Demokratie ist, dass sie nicht als Mittel zum Zweck dient.
Es geht nicht um die Dinge, die sie mit sich bringt.
Das Wichtige an der Demokratie ist nicht, dass sie eine
legitime, wirksame, erfolgreiche Rechtsstaatlichkeit mit sich bringt.
Es geht nicht darum, dass sie Frieden nach innen und außen garantiert.
Das Wichtige an der Demokratie ist intrinsisch.
Demokratie ist wichtig, weil sie eine Idee von Gleichheit widerspiegelt,
und eine Idee von Freiheit. Sie spiegelt eine Idee der Würde,
der Würde des einzelnen wider, die Idee, dass jeder einzelne
eine gleichberechtigte Stimme haben sollte, ein gleiches Mitspracherecht
bei der Bildung einer Regierung.
Aber wenn wir die Demokratie wirklich stärken wollen,
wenn wir sie wieder beleben wollen, dann müssen wir
ein neues Projekt zwischen Bürgern und Politikern ins Leben rufen.
Demokratie ist nicht nur eine Frage der Strukturen.
Sie ist ein Bewusstseinszustand. Sie ist eine Tätigkeit.
Und ein Teil dieser Tätigkeit ist Ehrlichkeit.
Nachdem meinem Vortrag hier, bin ich in einer Radiosendung
namens "Any Questions". Und Sie werden bemerkt haben,
dass Politiker in solchen Sendungen
niemals sagen, dass sie eine Antwort auf eine Frage
nicht wissen. Egal, worum es geht.
Fragen Sie uns zu Kinderfreibeträgen, zur Zukunft der Pinguine
in der Süd-Antarktis, oder unsere Ansicht über
nachhaltige Entwicklung
zum CO2-Abscheidung in Chongqing,
wir haben eine Antwort für Sie.
Wir müssen damit aufhören, so zu tun, als ob wir
allwissend wären.
Politiker müssen auch lernen, gelegentlich zu sagen, dass sie
bestimmte Dinge, die Wähler wollen, bestimmte Dinge, die den Wählern
versprochen wurden, möglicherweise
nicht erfüllen können,
oder vielleicht, dass wir denken, wir sollten sie nicht erfüllen.
Und zweitens sollten wir
den Bildungsgrad unserer Gesellschaft verstehen.
Unsere Gesellschaften waren noch nie so gebildet,
so voller Energie, so gesund,
noch nie so voller Wissen und Sorge um andere,
und so voller Willen, etwas zu tun, und all das liegt im Lokalen.
Einer der Gründe, warum wir von
Festsälen wie diesem hier abkommen,
Festsälen mit außergewöhnlichen Bildern an der Decke
von Königen auf ihrem Thron,
von dem ganzen Drama, das sich in diesem Raum entfaltet,
wo dem König von England der Kopf abgeschlagen wird,
Wir haben solche Räumen und Throne aufgegeben
zugunsten der Rathäuser, weil wir damit der Energie
unserer Bürger näherkommen, und das müssen wir nutzen.
Das kann in verschiedenen Ländern verschiedene Dinge bedeuten.
In Großbritannien könnte es bedeuten, auf die Franzosen zu schauen,
und von den Franzosen zu lernen,
direkt gewählte Bürgermeister im System
einer Gemeinde zu etablieren.
In Afghanistan hätte es bedeuten können, dass wir,
anstatt uns auf die großen Präsidentschafts- und Parlamentswahlen zu konzentrieren,
das hätten tun sollen, was von Anfang an in der afghanischen Verfassung stand,
nämlich direkte Kommunalwahlen auf Gemeindeebene einzuführen,
und die Menschen ihre Provinzgouverneure wählen lassen.
Aber damit all dies funktioniert,
die Ehrlichkeit in der Sprache, die lokale Demokratie,
ist die wichtige Frage nicht nur, was Politiker tun.
Die Frage ist, was die Bürger tun.
Damit Politiker ehrlich sind, muss ihnen die Öffentlichkeit das zugestehen,
und die Medien, die zwischen den Politikern
und der Öffentlichkeit vermitteln, müssen Politikern Ehrlichkeit erlauben.
Wenn lokale Demokratie gedeihen soll, dann geht es um ein aktives
und informiertes Engagement aller Bürger.
Mit anderen Worten, wenn die Demokratie wieder aufgebaut werden soll
und wieder kräftig und lebendig werden soll,
ist es notwendig, dass nicht nur die Öffentlichkeit
lernt, ihren Politikern zu vertrauen,
sondern auch, dass Politiker lernen, der Öffentlichkeit zu vertrauen.
Danke vielmals. (Beifall)