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Neoplasien der Blutzellen - Teil 2
Im ersten Teil dieser Doppelfolge haben wir uns angeschaut, in welche Gruppen sich die
Neoplasien der Blutzellen einteilen lassen. In diesem zweiten Teil wollen wir nun den
Gruppen die wichtigsten Diagnosen zuordnen.
Akute Leukämien
Eine Einteilung der akuten myeloischen Leukämien kann anhand der FAB-Klassifikation vorgenommen
werden. Sie ist zwar etwas älter, aber als Klassifikation für diese Leukämien noch
durchaus geläufig. Die Bezeichnung FAB steht übrigens für French-American-British
und bezieht sich darauf, dass ein internationales Team von Hämatologen an der Ausarbeitung
teilgenommen hat. Die FAB-Klassifikation richtet sich nach dem Aussehen der Tumorzellen im
Mikroskop und bevor es gleich um die einzelnen Diagnosen geht, lässt sich ganz allgemein
erstmal sagen: Die myeloische Reihe enthält viele verschiedene
Zellreihen, aus all denen prinzipiell Tumoren entstehen können. Zum Beispiel aus den Vorstufen
der Granulozyten und Monozyten, aus den Megakaryozyten oder auch aus den Vorstufen der Erythrozyten.
Daher unterscheidet die FAB-Klassifikation auch relativ viele Subtypen. Sie werden bezeichnet
mit M0 bis M7, wobei das M für myeloisch steht.
Die Subtypen lauten: M0: AML mit minimaler Differenzierung, M1:
AML ohne Ausreifung, M2: AML mit Ausreifung, M3: Akute Promyelozyten-Leukämie, M4: Akute
myelomonozytäre Leukämie, M5: Akute monozytäre Leukämie, M6: Akute Erythroleukämie, M7:
Akute Megakaryoblasten-Leukämie
Die einzelnen Subtypen sollen hier nicht weiter im Detail besprochen werden. Nur ein kurzer
Hinweis zum Verständnis: Die wichtigsten Zellreihen der Myelopoese finden sich in dieser
Klassifikation wieder. M3, zum Beispiel die Promyelozyten-Leukämie geht von der Granulozytären
Reihe aus. M5-M7, die Monozytäre Leukämie, die akute Erythroleukämie und die akute Megakaryoblasten-Leukämie
sind weitere Subtypen, bei denen der Name die Herkunft bereits verrät.
Akute Lymphatische Leukämien Für die akuten lymphatischen Leukämien spielt
die FAB-Klassifikation keine Rolle mehr. Sie diente früher der Einteilung der akuten lymphatischen
Leukämien in drei Gruppen: in kleine, unterschiedlich große und große Zellen. Diese Einteilung
wurde jedoch durch die genaue Identifizierung der Zellen mit Hilfe der Immuntypisierung
abgelöst. Für die B-Zellen erfolgt eine Unterteilung
in B-Vorläufer-Leukämien und Reife B-Zell-Leukämien. Die B-Vorläufer-Leukämien können anhand
ihres Immunphänotyps weiter unterschieden werden in Pro-B-ALL, Common-ALL und Prä-B-ALL.
Dies ist angelehnt an die Stadien, die die B-Zellen durchlaufen.
Zum Vergleich ist hier noch einmal die Reifung der B-Zelle aus der 1. Folge zu diesem Thema
abgebildet. Es lassen sich die Pro-B-Zelle, die Prä-B-Zelle und die reife B-Zelle wiederfinden.
Die Zellen der Common-ALL liegen vom Reifegrad zwischen der Pro-B und der Prä-B-Zelle. Die
Bezeichnung common bezieht sich hier allerdings darauf, dass sie mit ca. 50% die häufigste
Form der akuten lymphatischen Leukämien ist.
Die akuten Leukämien der T-Zellen werden ebenfalls anhand des Reifestadiums der Zellen
eingeteilt. Ohne weiter ins Detail gehen zu wollen, es erfolgt eine Einteilung in drei
Formen: Frühe T-ALL, Intermediäre T-ALL, und Reife
T-ALL Die Zuordnung erfolgt in der Praxis anhand
bestimmer Marker in der Durchflußzytometrie.
Zwischen den akuten lymphatischen Leukämien und den akuten myeloischen Leukämien gibt
es einen auffälligen Unterschied in Bezug auf die Altersverteilung: Akute lymphatische
Leukämien treten insbesondere im Kindesalter, akute myeloische Leukämien hingegen eher
im Erwachsenenalter auf. Diese Altersverteilung beruht auf einem grundlegenden Unterschied
zwischen Lymphozyten und Zellen der myeloischen Reihe. T- und B-Lymphozyten sind Teil des
erworbenen Immunsystems und können auf verschiedene Erreger spezifisch reagieren. Grundlage für
diese Spezifität ist die Vielfalt der Antikörper und der T-Zell-Rezeptoren. Doch wie entsteht
diese Vielfalt? Erreicht wird sie durch die Genumlagerung in der Entwicklung der Lymphozyten.
Der gesamte Prozess wird somatische Rekombination genannt. Diese somatische Rekombination stellt
aber auch ein Risiko dar, denn beim Schneiden und Zusammenfügen der DNA kann es zu Fehlern
kommen. Dieser besondere Mechanismus ist somit der
Schlüssel zum Verständnis der Altersverteilung. Das spezifische Immunsystem hat seine stärkste
Entwicklung in den ersten zwei Lebensjahrzehnten, weshalb akute lymphatische Leukämien hier
häufiger sind. Im Gegensatz dazu, werden akute myeloische
Leukämien vor allem durch Noxen begünstigt, wie z.B. Benzol oder ionisierende Strahlen.
Hier ist also eine gewisse Exposition über die Zeit nötig, weshalb diese Erkrankungen
im Erwachsenenalter häufiger sind.
Nun um die wichtigsten Punkte zu den Erkrankungen der Akuten Leukämien nochmal zusammenzufassen:
Akute myeloische Leukämien werden anhand der FAB Klassifikation in viele verschiedene
Untertypen eingeteilt und die Klassifikation orientiert sich an den verschiedenen Zelllinien.
Bei den akuten lymphatischen Leukämien findet die Einteilung anhand der Immuntypisierung
statt und richtet sich vor allem nach dem Reifegrad der Zellen.
Als wichtigen Unterschied zwischen den beiden akuten Leukämieformen solltest du dir die
Altersverteilung merken. Jetzt aber weiter zu den Lymphomen.
Historisch werden die Lymphome unterteilt in das Hodgkin-Lymphom und die Non-Hodgkin-Lymphome.
Das Hodgkin Lymphom wurde bereits 1832 vom englischen Arzt Thomas Hodgkin beschrieben.
Beim klassischen Hodgkin-Lymhpom sind in der Histologie Hodgkin und Sternberg-Reed-Zellen
nachweisbar. Wesentlich seltener ist der Lymphozyten-prädominante Typ, der nur ein zwanzigstel aller Hodgkin-Lymphome
ausmacht.
Die Hodgkin und Sternberg-Reed Zellen treten bei den Non-Hodgkin-Lymphomen nicht auf. Deshalb
hat sich am Anfang eine Abgrenzung zu den anderen damals noch wenig charakterisierten
Lymphomen, den Non-Hodgkin-Lymphomen durchgesetzt. Die Einteilung in Hodkin- und Non-Hodgkin-Lymphome
ist jedoch unglücklich, denn die Non-Hodgkin-Lymphome sind eine heterogene Gruppe mit teils sehr
unterschiedlichen Eigenschaften. Die Non-Hodgkin-Lymphome lassen sich anhand
ihrer Prognose einteilen in hochmaligne sogenannte aggressive Non-hodgkin-Lymphome und niedrigmaligne
sogenannte indolente Non-hodgkin-Lymphome. Im folgenden sollen die wichtigsten Lymphome
kurz vorgestellt werden: Das häufigste Non-Hodgkin-Lymphom ist das diffuse großzellige B-Zell-Lymphom.
Es wird den aggressiven Lymphomen zugeordnet. Das zweithäufigste Non-Hodgkin-Lymphom ist
das Follikuläre Lymphom. Es ist ein niedrig malignes Lymphom.
Das Plasmozytom wird auch zu den niedrig malignen Non-Hodgkin-Lymphomen gezählt.
Die entarteten Zellen wandern ins Knochenmark ein - es handelt sich also um ein Lymphom
mit Knochenmarksinfiltration. Streng genommen ist die korrekte Bezeichnung für die Erkrankung
übrigens Multiples Myelom. Der Begriff Plasmozytom bezeichnet nämlich einen einzelnen Plasmazellherd
und das Plasmozytom damit eine Sonderform des Multiplen Myeloms.
Das Burkitt-Lymphom ist ein aggressives Lymphom, das global gesehen nicht sehr häufig ist.
Es tritt jedoch endemisch in Äquatorialafrika und Südamerika auf.
Das Lymphoblastische Lymphom ist ein weiteres aggressives Lymphom, das allerdings relativ
selten ist. Es ist aber in gewisser Hinsicht besonders: Im ersten Teil hatten wir ja gesagt,
dass die Lymphome meist aus den reiferen Entwicklungsstufen hervorgehen. Das Lymphoblastische Lymphom
geht jedoch aus den Vorstufen der Lymphozyten hervor und damit aus den gleichen Zellen wie
die Akuten Lymphatischen Leukämien. Es handelt sich also genau genommen um eine Variante
der akuten lymphatischen Leukämie, die aber eher periphere Manifestationen zeigt, wie
zum Beispiel Lymphknotenschwellungen. Der Knochenmarksbefall ist hingegen nur gering
ausgeprägt.
Jetzt kommen wir zu einer weiteren Erkrankung, die zu den indolenten Non-Hodgkin-Lymphomen
gezählt wird, nämlich der chronischen lymphatischen Leukämie. Die CLL heißt zwar Leukämie.
Sie ist aber eigentlich ein Lymphom, da “die Entartung” nicht vom Knochenmark, sondern
von den Lymphknoten ausgeht. Die entarteten Zellen gehen jedoch ins Blut über. Die Erkrankung
wurde deshalb anfänglich zu den Leukämien gezählt. Genau genommen, handelt es sich
aber um ein leukämisches Lymphom.
Ausgangszellen der Lymphome Für das tiefere Verständnis der Lymphome
ist die Zuordnung der Erkrankungen zu ihren Ausgangszellen sehr interessant:
Das lymphoblastische B-Zell-Lymphom geht aus der Prä-B-Zelle hervor.
Die chronischen lymphatischen Leukämien gehen aus der reifen B-Zelle hervor, können aber
auch Merkmale der B-Gedächtniszelle zeigen. Das Plasmozytom geht, wie der Name verrät,
aus der Plasmazelle hervor. Die meisten Lymphome stammen jedoch von der aktivierten B-Zelle
ab. Die hier genannten Beispiele sind das Follikuläre Lymphom, das diffuse großzellige
B-Zell-Lymphom und das Burkitt-Lymphom. Bei der aktivierten B-Zelle handelt es sich um
die B-Zelle, die im Keimzentrum aktiviert wird und dort mehrere *** durchläuft.
Diese Aktivierungsschritte scheinen das Risiko für die Entstehung von bestimmten Lymphomen
auszumachen. In der Tat wurde in den letzten Jahren ein interessanter Mechanismus gefunden,
der zur Entstehung der Lymphome beiträgt.
Es handelt sich um den Wechsel der Antikörperklasse - hier beispielhaft dargestellt für den Wechsel
von IgG zu IgA. Ohne zu sehr ins Detail gehen zu wollen, für den Wechsel muss die DNA in
einem ersten Schritt geschnitten werden. Bestimmte Bereiche der DNA werden herausgeschnitten
und die DNA wird dann wieder zusammen gefügt. Dieser Prozess ist anfällig für Fehler.
So können Gene wie zum Beispiel Wachstumsfaktoren in die Antikörper-Region gelangen und werden
vermehrt exprimiert.
Nochmal zusammenfassend: Wichtige Punkte für die Lymphome sind: Es erfolgt eine Zweiteilung
in Hodgkin und Non-Hodgkin-Lymphome. Die Non-Hodgkin-Lymphome sind dabei eine sehr heterogene Gruppe, die
wiederum in indolente und aggressive Lymphome unterteilt werden können. Die wichtigsten
B-Zell-Lymphome haben wir kurz vorgestellt. Nur der Vollständigkeit halber: Beispiele
für T-Zell-Lymphome wurden hier zur besseren Übersicht nicht aufgeführt.
Jetzt soll es weitergehen mit Erkrankungen der Myeloischen Stammzelle und wir fangen
mit den Myeloproliferativen Erkrankungen an.
Die Myeloproliferativen Erkrankungen sind durch eine erhöhte Proliferation der myeloischen
Stammzelle gekennzeichnet. Die Differenzierung zur reifen Zelle ist dabei in der Regel noch
erhalten.
Die drei Zellreihen der Myelopoese sind die Erythrozyten, die Thrombozyten und die Granulozyten.
Theoretisch müsste es also für jede dieser Zellreihen eine myeoloprofiferative Erkrankung
geben. Ungefähr so ist es auch tatsächlich: Eine erhöhte Produktion von Erythrozyten
findet sich bei der Polycythemia vera. Erhöhte Thrombozytenzahlen treten bei der
essentiellen Thrombozythämie auf. Die Bildung von Granulozyten ist bei der chronischen
myeloischen Leukämie unkontrolliert gesteigert. Dies ist jedoch eine vereinfachte Darstellung,
da bei diesen Erkrankungen auch mehrere Zellreihen betroffen sein können.
Eine weitere myeloproliferative Erkrankung ist die Osteomyelofibrose. Hier kommt es anfangs
typischerweise zu einer Erhöhung der Thrombozyten und der Granulozyten. Zusätzlich zeigen sich
hier aber auch dysplastische Veränderungen der Zellen im Knochenmark, insbesondere der
Megakaryozyten. Den Namen hat die Erkrankung aufgrund ihrer späteren Phase, da das Knochenmark
über die Zeit sozusagen ‘ausbrennt’ und fibrosiert.
Zusätzlich zu den vier genannten Beispielen gibt es noch weitere seltenere Erkrankungen.
Darauf möchten wir an dieser Stelle jedoch nicht weiter eingehen. Die WHO-Klassifikation
der Myeloprolifativen Erkrankungen gibt zu diesen seltenen Formen einen detaillierten
Überblick.
Was ist der Hiatus Leucaemicus? Die chronische myeloische Leukämie wurde
eben schon erwähnt, wir möchten nun noch einige Überlegungen zu dieser Krankheit anstellen.
Bei der chronischen myeloischen Leukämie kommt es zu einer erhöhten Proliferation
insbesondere der Granulozyten. Da die Zellen sich noch differenzieren, sind im Blutbild
alle Zwischenstufen vom Myeloblasten bis hin zum Segmentkernigen Granulozyten zu finden.
Es zeigt sich also ein sogenanntes ‘Buntes Bild’. Dies ist ein wichtiger differentialdiagnostischer
Unterschied zu den akuten myeloischen Leukämien. Hier kommt es zur Ausschwemmung von Blasten
in das Blut, aber nicht von Zwischenstufen. Der entsprechende Befund wird daher als Hiatus
Leucaemicus bezeichnet, was übersetzt so viel bedeutet wie: ‘Lücke der Leukämie’.
Ein Hiatus Leucaemicus liegt demzufolge bei der chronischen myeloischen Leukämie nicht
vor. Die CML verläuft jedoch klassischerweise in drei Stadien, an deren Ende ein Leukämie-ähnliches
Stadium steht. Am Anfang befindet sich die Erkrankung in einer chronischen Phase und
geht dann im Verlauf durch weitere chromosomale Veränderungen in eine Akkzelerationsphase
über. Die CML mündet schließlich in einer Blastenkrise. Erkennbar ist dies an einer
Zunahme der Blasten, wobei das klinische Bild dem einer akuten Leukämie gleicht.
Nun zu den myelodysplastischen Erkrankungen. Am besten lassen sie sich beschreiben als
Fehlfunktion des Knochenmarks mit dysplastischen Zellen. Eine Erkrankung dieser Gruppe ist
die Refraktäre Anämie. Sie entsteht durch eine Schädigung der Stammzellen der Erythropoese,
welche zu einer Verminderung der Erythrozyten führt. Der Name bezieht sich darauf, dass
die Erkrankung im Gegensatz zu anderen Anämien nicht auf die Behandlung mit Vit. B12, Folsäure
oder Eisen anspricht. Sprich sie ist refraktär.
Auch die Myelodysplastischen Syndrome können im Verlauf der Zeit in eine akute Leukämie
übergehen. Dies ist dann an einer Erhöhung des Blasten-Anteils zu erkennen. Um hier nur
zwei Beispiele zu nennen: es gibt die Refraktäre Anämie mit Blasten-Exzess abgekürzt RAEB.
Wenn der Anteil der Blasten weiter zunimmt spricht man von einem Stadium der Transformation,
das heißt die Erkrankung geht in eine akuten Leukämie über. Die Erkrankung wird dann
bezeichnet als Refraktäre Anämie mit Blasten-Exzess in Transformation.
Die aktuelle WHO-Klassifikation für die Myelodysplastischen Erkrankungen unterscheidet insgesamt acht
Krankheitsbilder. Hier soll es jedoch bei diesen drei Beispielen bleiben und vor allem
Wert auf das Verständnis der Zusammenhänge gelegt werden.
Quiz In diesem Auditor wurden im ersten Teil die
Eigenschaften der fünf Gruppen vorgestellt. Im zweiten Teil haben wir dir dann die Gruppen
mit Erkrankungen gefüllt und eine Übersicht über die Neoplasien der Blutzellen erstellt.
Zugegeben auf den ersten Blick scheint die Anzahl der Diagnosen unüberschaubar, aber
probier es doch selbst. Ordne im Quiz die Krankheiten den einzelnen Gruppen zu, indem
du sie auf die Felder ziehst. Viel Erfolg!