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Übersetzung: Nadine Hennig Lektorat: Daniel Heiniger
Wir haben jetzt 2009.
Es ist der zweihundertste Geburtstag von Charles Darwin.
Und überall auf der Welt sind bedeutende Evolutionisten
bestrebt, diesen zu feiern.
Sie beabsichtigen, uns
über fast jeden Aspekt
von Darwins Leben,
und darüber, wie er unsere Ansichten verändert hat, aufzuklären.
Ich sagte, fast jeden Aspekt,
weil es einen Aspekt in dieser Geschichte gibt,
auf den sie noch kein Licht geworfen haben.
Sie scheinen bemüht zu sein, ihn zu umgehen und ihm auszuweichen,
und am Ende über etwas anderes zu sprechen.
Deshalb werde ich darüber sprechen.
Es geht um die Frage: Warum unterscheiden wir uns so sehr von den Schimpansen?
Die Genforscher sagen uns immer wieder,
wie eng wir doch mit ihnen verwandt sind – fast keine Unterschiede in den Genen,
also sehr, sehr eng verwandt.
Wenn man jedoch die Phänotypen betrachtet,
hier der Schimpanse, dort der Mensch, bemerkt man,
wie unterschiedlich sie eigentlich doch sind
und dass sie sich überhaupt nicht ähneln.
Ich rede nicht von abstrakten Dingen wie
Kultur, Psychologie oder Verhalten.
Ich rede von grundlegenden, essentiellen Dingen,
von messbaren körperlichen Unterschieden.
Der eine
ist haarig und läuft auf allen vieren.
Der andere ist ein nackter Zweibeiner. Warum?
Ich meine ...
(Gelächter)
Wenn ich ein guter Darwinist bin, muss ich glauben,
dass es dafür einen Grund gibt.
Wenn wir uns so sehr verändert haben, muss etwas geschehen sein.
Aber was war geschehen?
Also, vor 50 Jahren war das eine ziemlich einfache Frage.
Alle wussten die Antwort darauf.
Sie wussten, was geschehen war.
Der Vorfahre der Affen blieb in den Bäumen;
unsere Vorfahren zogen ins Flachland um.
Das erklärte alles.
Wir mussten uns aufrichten, um über das hohe Gras zu spähen
oder um Tiere zu jagen,
oder um unsere Hände für Waffen freizumachen.
Und bei der Jagd haben wir dann so sehr geschwitzt,
dass wir den Pelzmantel ausziehen und ihn wegwerfen mussten.
Alle wussten das, und zwar seit Generationen.
Aber dann, in den 90er Jahren, wurde wieder Licht in die Sache gebracht.
Die Paläontologen sahen sich
die begleitende Mikrofauna noch einmal etwas genauer an,
die am gleichen Ort und zur gleichen Zeit wie die Hominiden zugegen war.
Das waren keine in der Savanne lebenden Arten.
Sie betrachteten die Herbivoren. Das waren keine in der Savanne lebenden Herbivoren.
Dann waren sie so klug und fanden einen Weg,
versteinerten Pollen zu analysieren.
Schock. Entsetzen.
Der versteinerte Pollen gehörte ebenfalls nicht zur Vegetation der Savanne.
Einige von ihnen kamen sogar von den Lianen herunter,
diese Kletterpflanzen, die mitten im Urwald baumeln.
Wir befanden uns also nun in einer Situation, in der
wir wussten, dass unsere Ahnen in den Bäumen
auf allen vieren gelaufen waren,
noch bevor das Ökosystem der Savanne entstanden war.
Das ist keine Lügengeschichte.
Das ist keine Theorie, die nur von einer Minderheit bejaht wird.
Alle stimmen damit überein.
Professor Tobias kam den ganzen Weg von Südafrika
und sprach am College der Universität London.
Er sagte: „Vergesst alles, was ich euch während der letzten 20 Jahre gesagt habe.
Es stimmt nicht.
Wir müssen wieder zum Anfang zurückkehren und neu beginnen.“
Dies machte ihn sehr unbeliebt. Sie wollten nicht zum Anfang zurück.
Es ist schrecklich, wenn so etwas passiert.
Wir haben dieses wunderschöne Paradigma.
Wir haben seit Generationen daran geglaubt.
Niemand hat es hinterfragt.
Wir haben eine Menge fantasievoller Dinge darauf aufgebaut
und verließen uns felsenfest darauf.
Und plötzlich wird es uns genommen.
Was macht man da? Was macht ein Wissenschaftler in so einem Fall?
Eigentlich wissen wir die Antwort, weil
Thomas S. Kuhn im Jahr 1962
eine grundlegende Abhandlung
über dieses Thema verfasst hat.
Er sagte uns, was Wissenschaftler tun,
wenn ein Paradigma versagt:
Na, raten Sie mal? – Sie machen einfach weiter, als wenn nichts geschehen wäre.
(Gelächter)
Wenn sie kein Paradigma haben, können sie die Frage nicht stellen.
Also sagen sie: „Ja, es stimmt nicht,
aber angenommen, es würde stimmen, dann ...“
(Gelächter)
Und die einzig verbleibende Alternative
besteht darin, keine Fragen mehr zu stellen.
Und das ist es, was sie jetzt getan haben.
Deswegen reden sie nicht mehr darüber. Es ist eine Frage von gestern.
Einige von ihnen haben es sogar zu einem Prinzip gemacht.
Das ist es, was wir tun sollten.
Aaron Filler von der Harvard-Universität sagte:
„Ist es nicht Zeit, dass wir aufhören, über Selektionsdruck zu reden?
Warum reden wir nicht zum Beispiel über vorhandene Chromosomen und Gene
und dokumentieren nur das, was wir sehen.“
Charles Darwin muss sich jetzt wohl im Grabe umdrehen.
Er wusste alles über diese Art von Wissenschaft
und bezeichnete sie als hypothesenfreie Wissenschaft.
Er hasste sie zutiefst.
Und wenn Sie sagen:
„Jetzt rede ich nicht mehr über Selektionsdruck“,
dann können Sie „Die Entstehung der Arten“ gleich nehmen und wegwerfen,
denn darin geht es eigentlich nur um Selektionsdruck.
Und die Ironie des Ganzen ist,
dass dieser Zusammenbruch eines Paradigmas nicht bedeutete,
darauf warten zu müssen, dass sie auf ein neues stoßen.
Es gab ein neues Paradigma, das nur auf seine Chance wartete.
Es hat seit 1960 gewartet,
als Alister Hardy, ein Meeresbiologe,
sagte: „Ich glaube, dass
unsere Vorfahren vielleicht
für eine Zeit lang
im Wasser gelebt haben.“
Er behielt es 30 Jahre für sich.
Aber dann bekam die Presse Wind davon und Chaos brach aus.
Alle seine Kollegen sagten: „Das ist unerhört.
Du hast uns zum Gespött der Öffentlichkeit gemacht!
Das darfst du nie wieder tun.“
Zu jener Zeit wurde es in Stein gemeißelt:
die Wasseraffentheorie sollte wie die Theorien über
die Ufos und die Yetis verworfen werden und nur noch als
Teil des Randbereichs der Wissenschaft gelten.
Aber das glaube ich nicht.
Ich glaube, dass Hardy viele Beweisgründe dafür hatte.
Ich möchte nur über einige Kennzeichen,
die charakteristisch für den
Menschen sind, sprechen,
die Dinge, die uns von allen anderen
und unsereren Verwandten unterscheiden.
Nehmen wir einmal unsere nackte Haut.
Es ist offensichtlich, dass die meisten Lebewesen,
die ihre Haare verloren haben, im Wasser leben, also
Säugetiere ohne Körperbehaarung, wie der Dugong, das Walross,
der Delfin, das Nilpferd und die Seekuh.
Und einige derjenigen, die sich gern im Schlamm wälzen, wie der Hirscheber.
Und man fragt sich: Könnte das etwa
der Grund sein, warum wir nackt sind?
Ich wies darauf hin und die Leute sagten: „Nein, nein, nein.
Denken Sie doch mal an den Elefanten.
Haben Sie alles darüber vergessen?“
Damals, im Jahr 1982, sagte ich:
„Gut, vielleicht hatte der Elefant einen aquatischen Vorfahren.“
Sie bogen sich vor Lachen!
„Diese Verrückte. Sie ist ja völlig abgedreht. Sie würde alles Mögliche sagen.“
Inzwischen stimmen alle überein, dass der Elefant aquatische Vorfahren hat.
Daraus geht hervor, dass all diese nackten Dickhäuter
aquatische Vorfahren haben.
Sie nahmen an, dass das Nashorn nicht dazu gehöre.
Doch letztes Jahr entdeckten sie in Florida einen ausgestorbenen Vorfahren des Nashorns
und man sagte: „Es scheint die ganze Zeit im Wasser gelebt zu haben.“
Hier gibt es eine enge Verbindung zwischen Wasser und mangelnder Körperbehaarung.
Als absolute Verbindung funktioniert es aber nur in einer Richtung.
Man kann nicht sagen, dass alle aquatischen Tiere unbehaart sind.
Sehen Sie sich doch einmal den Seeotter an.
Man kann aber sagen,
dass jedes Tier, das seine Körperbehaarung verloren hat,
Zeit seines Lebens im Wasser verbracht hat
oder zumindest seine Vorfahren. Ich glaube, dass das von Bedeutung ist.
Die einzige Ausnahme ist der nackte, in Somalia lebende Maulwurf,
der nie an die Erdoberfläche kommt.
Oder nehmen wir einmal die Tatsache, dass wir auf zwei Beinen gehen.
Hier gibt es keinen Vergleich, den man anstellen könnte.
Denn wir sind das einzige Lebewesen, das auf zwei Beinen geht.
Obwohl man sagen kann, dass Affen und Menschenaffen
wohl in der Lage sind, auf zwei Beinen zu gehen,
wenn sie das wollen, aber nur für eine kurze Zeit.
Es gibt nur eine Situation, in der sie
alle auf zwei Beinen gehen,
nämlich wenn sie durch das Wasser waten.
Denken Sie, dass das von Bedeutung ist?
David Attenborough tut das und hält dies
für den möglichen Beginn unserer Bipedie.
Sehen Sie sich die Fettschicht an.
Wir haben überall unter der Haut eine Fettschicht,
die in keiner Weise in anderen Primaten vorhanden ist.
Warum ist sie da?
Wir wissen eines: Wenn wir andere Säugetiere betrachten,
hat sich das Fett, das sich im Körper der Landsäugetiere,
in den tieferen Körperschichten,
um die Nieren, die Leber, usw., angelagert hat,
begonnen, nach außen überzugehen,
und sich in einer Schicht direkt unter der Haut auszubreiten.
Beim Wal ist es bereits vollständig
an der Außenseite, er hat kein Fett mehr im Körper.
Wir können es nicht von der Hand weisen,
dass es in unserem Fall schon begonnen hat.
Wir haben diese Fettschicht.
Das ist die einzig mögliche Erklärung, warum Menschen,
wenn sie großes Pech haben,
so fettleibig werden können.
Für jeden anderen Primaten wäre dies anatomisch unmöglich.
Etwas sehr Befremdliches und Prosaisches, das nie aufgeklärt wurde.
Der Umstand, dass wir sprechen können.
Wir können sprechen.
Und der Gorilla kann es nicht. Warum?
Es hat nichts mit seiner Zunge, seinen Zähnen, seiner Lunge oder so etwas zu tun.
Es geht rein um die bewusste Beherrschung der Atmung.
Man kann einem Gorilla nicht einmal beibringen, auf Kommando „Ah“ zu sagen.
Die einzigen Lebewesen, die ihre Atmung kontrollieren können,
sind die Tiere, auch Vögel, die gelegentlich ins Wasser eintauchen.
Das war absolut notwendig, damit wir unsere Sprachfähigkeit entwickeln konnten.
Und dann noch die Tatsache, dass wir stromlinienförmig sind.
Denken Sie an einen Turmspringer,
der ins Wasser taucht – er verursacht kaum einen Spritzer.
Dann denken Sie an einen Gorilla,
der das Gleiche tut.
Sie werden sehen, verglichen mit dem Gorilla
sind wir quasi ein Fisch.
Ich versuche seit mehr als 40 Jahren zu suggerieren,
dass die Wasseraffentheorie fälschlicher- weise als irrsinnig dargestellt wird,
denn sie ist gewiss nicht irrsinnig.
Und das Ironische daran ist, dass
sie die Wasseraffentheorie nicht bestreiten,
um ihre eigene Theorie zu schützen,
über die sie sich einig sind und die sie lieben.
Es gibt ja keine andere Theorie.
Sie bestreiten die Wasseraffentheorie,
um ein Vakuum zu schützen.
(Gelächter)
(Applaus)
Wie reagieren sie, wenn ich solche Dinge sage?
Die häufigste Reaktion, die ich schon etwa 20 Mal gehört habe, ist die:
„Aber es wurde doch erforscht.
Von Anfang an wurde eine ernstzunehmende Forschung betrieben,
als Hardy seinen Artikel veröffentlichte.“
Ich glaube es nicht.
Seit 35 Jahren suche ich nach irgendeinem Beweis
dieser Art, und schließlich
kam ich zu dem Ergebnis, dass es einer dieser Großstadtmythen ist.
Es wurde nie gemacht.
Manchmal frage ich die Leute und sie sagen:
"Ich mag die Wasseraffentheorie!
Jeder mag die Wasseraffentheorie.
Natürlich glauben sie nicht an diese Theorie, aber sie mögen sie.“
Dann sage ich: „Warum denkt ihr, dass es Quatsch ist?“
Und sie antworten: „Na ja,
alle, mit denen ich spreche, sagen, dass es Quatsch ist.
Und alle können sich doch nicht irren. Oder?“
Die Antwort dafür ist, laut und deutlich: „Ja! Alle können sich irren.“
Die Geschichte ist mit Fällen übersät, in denen sich alle geirrt haben.
(Applaus)
Und wenn Sie solch ein wissenschaftliches Problem haben,
kann man dieses nicht mit dem Mehrheitsprinzip lösen
und sagen: „Es sagen mehr ja als nein.“
(Gelächter)
Abgesehen davon haben einige mehr als nur eine Stimme.
Einige von ihnen haben es verstanden.
Zum Beispiel Professor Tobias. Er hat es verstanden.
Daniel Dennett hat es verstanden.
Sir David Attenborough hat es verstanden.
Sonst noch jemand? Kommen Sie schon und machen Sie mit.
Das Wasser ist herrlich.
(Applaus)
Jetzt müssen wir in die Zukunft sehen.
Letztendlich wird eines von drei Dingen geschehen.
Entweder wird dies die nächsten 40, 50, 60 Jahre andauern.
„Nun ja, wir reden nicht darüber. Lasst uns über etwas Interessantes reden.“
Das wäre sehr traurig.
Das Zweite, was passieren könnte,
ist, dass ein junges Genie kommen wird,
und sagt: „Ich habe es gefunden.
Es war nicht die Savanne, es war auch nicht das Wasser, es war das!“
Es gibt jedoch keine Anzeichen, dass dies je geschehen wird.
Ich glaube nicht, dass es eine dritte Möglichkeit gibt.
Das Dritte, was passieren könnte, ist
eine sehr schöne Sache.
Blicken Sie einmal auf die ersten Jahre des letzten Jahrhunderts zurück.
Da gab es eine Patt-Situation, einen großen Streit
zwischen den Mendelisten
und den Darwinisten.
Schließlich kam es zu einer neuen Synthese:
Darwins Ideen und Mendels Ideen
wurden vermischt.
Und ich denke, dass hier das Gleiche geschehen wird.
Sie werden eine neue Synthese erhalten.
Hardys Ideen und Darwins Ideen
werden vermischt werden.
Und von da aus können wir weiter forschen
und wirklich etwas erreichen.
Das wäre eine wunderschöne Sache.
Es wäre sehr schön für mich, wenn es bald geschehen würde.
(Gelächter)
Weil ich jetzt schon älter bin als George Burns es war, als er sagte:
„In meinem Alter kaufe ich doch keine grüne Bananen mehr.“
(Gelächter)
Also wenn es kommen und wenn es geschehen wird,
wer oder was hält es auf?
Das kann ich Ihnen genau sagen:
Die Wissenschaftler sagen nein.
1960 beschlossen sie:
„Das gehört zu den UFOs und den Yetis.“
Und es ist nicht leicht, sie umzustimmen.
Die Fachzeitschriften
fassen es nicht einmal mit der Kneifzange an.
Die Lehrbücher erwähnen es nicht.
Im Lehrplan wird nicht einmal die Tatsache erwähnt, dass wir nackt sind,
geschweige denn, einen Grund dafür gesucht.
Die „Horizon Science Academies“, die sich nach den Wissenschaftlern richten,
fassen es auch nicht mit der Kneifzange an.
Wir werden also nie etwas davon hören,
außer in scherz- haften Anspielungen
auf Menschen, die als verrückt gelten.
Ich weiß nicht recht, woher dieses Diktat kommt.
Jemand dort oben
hat wohl das Gebot aufgestellt:
„Du sollst nicht an die Wasseraffentheorie glauben.“
Wenn Sie also hoffen, in diesem Beruf voranzukommen,
und Sie daran glauben, dann behalten Sie es besser für sich,
weil es Ihnen nur im Weg sein wird.
Ich bekomme langsam den Eindruck, dass sich einige Teile
der Wissenschaft
in eine Art Priestertum verwandeln werden.
Aber das macht mich recht froh,
weil Richard Dawkins uns gesagt hat,
wie man ein Priestertum zu behandeln hat.
(Gelächter)
Er sagt: „Erstens musst du dich weigern,
ihnen die übermäßige Ehrfurcht und Verehrung zukommen zu lassen,
an die sie gewöhnt sind.“
Also dem stimme ich zu.
Zweitens sagt er:
„Du darfst niemals Angst haben, gegen den Strom zu schwimmen.“
Dem stimme ich auch zu.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Applaus)