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Übersetzung: Nicole Jendro Lektorat: Johanna Pichler
2014 ist ein besonderes Jahr für mich:
20 Jahre als Berater,
20 Jahre verheiratet
und in einem Monat werde ich 50.
Ich wurde also 1964 in einer kleinen Stadt in Deutschland geboren.
Es war ein grauer Novembertag
und ich war überfällig.
Die Entbindungsstation war in heller Aufregung,
denn an diesem grauen Novembertag wurden viele Babys geboren.
1964 war das Jahr mit der höchsten Geburtenrate in Deutschland:
Über 1,3 Millionen.
Letztes Jahr waren es gerade mal etwas über 600 000, also die Hälfte.
Dies ist die deutsche Alterspyramide
und der kleine schwarze Punkt dort oben, das bin ich.
(Lachen) (Applaus)
In Rot kann man die potentielle Arbeitsbevölkerung sehen,
also Menschen zwischen 15 und 65.
Mich interessiert nur die rote Fläche.
Jetzt machen wir eine einfache Simulation,
um zu sehen, wie sich diese Altersstruktur in den nächsten Jahren entwickeln wird.
Wie Sie sehen können, bewegt sich die Spitze nach rechts,
und ich werde wie viele andere Babyboomer 2030 in Rente gehen.
Übrigens brauche ich keine Prognosen von Geburtenraten
um die rote Fläche vorherzusagen.
Die rote Fläche, also die potentielle Arbeitsbevölkerung 2030,
ist heute schon in Stein gemeißelt,
mit Ausnahme der viel höheren Migrationsraten.
Wenn Sie die rote Fläche von 2030 mit der roten Fläche von 2014 vergleichen,
ist diese viel, viel kleiner.
Bevor ich Ihnen den Rest der Welt zeige:
Was bedeutet dies für Deutschland?
Durch dieses Bild wissen wir, dass das Arbeitskräfteangebot,
also die Menschen, die Arbeitskraft anbieten,
in Deutschland sinken wird, und zwar deutlich.
Was ist mit der Arbeitskräftenachfrage?
Das ist kniffelig.
Wie Sie vielleicht wissen,
ist die Lieblingsantwort von Beratern auf jegliche Fragen:
"Es kommt darauf an."
Ich würde also sagen, es kommt darauf an.
Wir wollten nicht die Zukunft vorhersagen.
Viel zu spekulativ.
Wir haben etwas anderes getan.
Wir haben uns das BIP- und Produktivitätswachstum
der letzten 20 Jahre in Deutschland angeschaut
und folgendes Szenario errechnet:
Wenn Deutschland sein BIP- und Produktivitätswachstum beibehalten will,
dann können wir direkt errechnen,
wie viele Menschen Deutschland braucht, um dieses Wachstum zu stützen.
Das ist die grüne Linie: Arbeitskräftenachfrage.
Deutschland wird also sehr schnell auf eine große Talenteknappheit stoßen.
Acht Millionen Menschen fehlen,
das sind mehr als 20 Prozent unserer derzeitigen Arbeitskraft.
Also große Zahlen, sehr große Zahlen.
Wir haben verschiedene Szenarien errechnet
und das Bild sah immer so aus.
Um die Lücke zu schließen,
muss Deutschland die Zuwanderung erheblich erhöhen,
mehr Frauen in die Gruppe der Arbeitskräfte aufnehmen,
das Rentenalter erhöhen --
das wurde übrigens gerade dieses Jahr gesenkt --
und all diese Maßnahmen auf einmal.
Wenn Deutschland an diesem Punkt scheitert, wird Deutschland stagnieren.
Wir werden nicht mehr wachsen. Warum?
Weil es keine Arbeitnehmer gibt, die dieses Wachstum erzeugen können.
Unternehmen werden anderweitig nach Talenten suchen.
Doch wo?
Wir haben Arbeitskräfteangebot und Arbeitskräftenachfrage
für die 15 größten Wirtschaftssysteme der Welt simuliert,
die mehr als 70 Prozent des Welt-BIP ausmachen.
Das Gesamtbild sieht 2020 so aus.
Blau gibt den Arbeitskräfteüberschuss an,
Rot der Arbeitskräftemangel,
und Grau sind die Grenzfälle.
2020 haben wir immer noch einen Arbeitskräfteüberschuss in einigen Ländern
wie Italien, Frankreich, den USA,
aber dieses Bild ändert sich 2030 dramatisch.
2030 werden wir in den meisten der größten Wirtschaftssysteme
eine globale Arbeitskräftekrise haben,
einschließlich in drei der vier BRIC-Staaten.
China wird aufgrund der ehemaligen Ein-Kind-Politik betroffen sein,
auch Brasilien und Russland.
Um ehrlich zu sein,
wird die Situation in Wirklichkeit noch schwieriger sein.
Hier sehen Sie die durchschnittlichen Zahlen.
Wir haben sie ent-durchschnittlicht
und in verschiedene Qualifikationsgrade unterteilt.
Wir fanden einen noch höheren Mangel an hochqualifizierten Menschen
und einen teilweisen Überschuss an gering qualifizierten Arbeitnehmern.
Zusätzlich zum allgemeinen Arbeitskräftemangel werden wir in Zukunft
ein Ungleichgewicht bei Qualifizierungen vorfinden.
Das bedeutet große Herausforderungen
im Bereich Ausbildung, Qualifikation
und Weiterbildung für Regierungen und Unternehmen.
Als Nächstes haben wir uns Roboter, Automatisierung und Technologie angesehen.
Wird Technologie das Bild verändern und die Produktivität ankurbeln?
Die kurze Antwort wäre,
dass unsere Zahlen schon ein bedeutendes Produktivitätswachstum beinhalten,
das durch Technologie angetriebenen wird.
Die lange Antwort sieht so aus:
Nehmen wir wieder Deutschland.
Die Deutschen haben einen gewissen Ruf in der Welt,
was Produktivität anlangt.
In den 90ern habe ich fast zwei Jahre in unserem Büro in Boston gearbeitet.
Als ich ging, hat mir ein älterer hochrangiger Kollege wortwörtlich gesagt:
"Schick mir mehr von den Deutschen, sie arbeiten wie Maschinen."
(Lachen)
Das war 1998.
16 Jahre später würde man wahrscheinlich das Gegenteil sagen:
"Schick mir mehr von den Maschinen, die arbeiten wie die Deutschen."
(Lachen) (Applaus)
Technologie wird viele unserer alltäglichen Arbeitsstellen ersetzen.
Nicht nur in der Produktionsbranche, auch Bürostellen sind gefährdet
und könnten durch Roboter,
künstliche Intelligenz, Big Data oder Automatisierung ersetzt werden.
Die Frage ist nicht, ob Technologie einige dieser Stellen ersetzen wird,
sondern wann, wie schnell und in welchem Umfang?
Mit anderen Worten:
Wird Technologie uns helfen, diese globale Arbeitskräftekrise zu lösen?
Ja und nein.
Das ist die raffiniertere Form von "Es kommt darauf an."
(Lachen)
Nehmen wir die Autobranche als Beispiel,
dort arbeiten bereits mehr als 40 Prozent der Industrieroboter
und Automatisierung hat bereits stattgefunden.
1980 machten die elektronischen Teile weniger als 10 Prozent
der Produktionskosten eines Autos aus.
Heute sind es über 30 Prozent
und diese Zahl wird bis 2030 auf über 50 Prozent ansteigen.
Diese neuen elektronischen Teile und Anwendungen
bedürfen neuer Qualifikationen und haben viele neue Arbeitsplätze geschaffen,
wie den Informatik-Ingenieur,
der die Interaktion zwischen Fahrer und elektronischem System optimiert.
1980 hätte niemand gedacht, dass so ein Beruf je existieren würde.
Tatsächlich hat sich die Zahl der Menschen,
die an der Produktion eines Autos beteiligt sind,
in den letzten Jahrzehnten nur wenig verändert,
trotz der Roboter und Automatisierung.
Was bedeutet das?
Ja, Technologie wird viele Arbeitsstellen ersetzen,
aber wir werden auch viele neue Berufe und neue Qualifikationen sehen.
Technologie wird unser Ungleichgewicht bei Qualifikationen verschlimmern.
Diese Art von Ent-durchschnittlichung
offenbart die zentrale Herausforderung für Regierungen und Unternehmen.
Menschen, hoch qualifizierte Menschen und Talente
werden in den nächsten 10 Jahren das große Thema sein.
Wenn sie die knappe Ressource sind, müssen wir sie besser verstehen.
Sind sie tatsächlich gewillt zum Arbeiten ins Ausland zu gehen?
Was sind ihre Vorlieben bei Berufen?
Um das herauszufinden, führten wir dieses Jahr eine globale Umfrage durch.
Über 200 000 Arbeitssuchende in 189 Ländern wurden befragt.
Migration ist sicherlich eine wichtige Maßnahme, um die Lücke zu schließen --
jedenfalls auf kurze Sicht --
also fragten wir nach Mobilität.
Über 60 Prozent dieser 200 000 Arbeitssuchenden
sind bereit im Ausland zu arbeiten.
Für mich war das eine überraschend hohe Zahl.
Wenn man die Angestellten zwischen 21 und 30 ansieht,
dann ist die Zahl sogar noch höher.
Wenn man die Zahl auf die Länder aufteilt --
Ja, die Welt ist mobil, aber nur teilweise.
Die am wenigsten mobilen Länder sind Russland, Deutschland und die USA.
Wohin würden diese Menschen gerne ziehen?
Auf Platz 7 ist Australien. 28 Prozent können sich vorstellen, dort hinzuziehen.
Dann Frankreich, die Schweiz, Deutschland, Kanada, Großbritannien und Nordirland,
und auf Platz eins weltweit sind die USA.
Was sind die Jobpräferenzen dieser 200 000 Menschen?
Was suchen sie?
Aus einer Liste mit 26 Punkten liegt das Gehalt nur auf Platz acht.
Platz eins bis vier haben alle mit Kultur zu tun.
Platz vier: "Eine gute Beziehung zum Chef";
drei: "ein guter Ausgleich zwischen Arbeit und Privatleben";
zwei: "eine gute Beziehung zu Kollegen",
und auf Platz eins weltweit steht:
"für die eigene Arbeit Wertschätzung erfahren".
Also: "Bekomme ich ein Dankeschön?"
Nicht nur einmal im Jahr mit der jährlichen Bonuszahlung,
sondern jeden Tag.
Jetzt wird unsere globale Arbeitskräftekrise sehr persönlich.
Menschen suchen nach Anerkennung.
Suchen wir nicht alle nach Anerkennung in unserer Arbeit?
Verbinden wir jetzt die Punkte.
Wir werden eine globale Arbeitskräftekrise haben,
die aus einem generellen Arbeitskräftemangel besteht
sowie einem gigantischen Qualifikations-Ungleichgewicht
und einer großen kulturellen Herausforderung.
Diese globale Arbeitskräftekrise rückt sehr schnell heran.
Jetzt sind wir erst am Wendepunkt.
Was können wir, Regierungen, Unternehmen tun?
Jedes Unternehmen, aber auch jedes Land,
braucht eine Menschen-Strategie
und muss diese sofort umsetzen.
Solch eine Menschen-Strategie besteht aus vier Teilen.
Nummer eins: ein Plan, wie man Angebot und Nachfrage
für verschiedene Stellen und Qualifizierungen vorhersagen kann.
Arbeitskräfteplanung wird noch wichtiger als die Finanzplanung.
Zwei: ein Plan, wie man diese Menschen anwirbt.
Generation Y, Frauen, aber auch Rentner.
Drei: ein Plan, wie man sie ausbildet und weiterbildet.
Es kommt eine große Herausforderung in der Weiterbildung auf uns zu.
Vier: wie man die besten Menschen behalten kann.
Mit anderen Worten,
wie man eine Kultur der Anerkennung und Beziehungen umsetzt.
Ein wichtiger unterschwelliger Faktor ist die Veränderung unserer Einstellungen.
Angestellte sind Ressourcen, sind Kapital,
nicht Kosten, nicht Personalstand, nicht Maschinen,
auch nicht die Deutschen.
Danke.
(Applaus)