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Die Primäre Hämostase - verknüpft mit Erkrankungen und Medikamenten
Jetzt soll es mit dem physiologischen Teil weitergehen. Dazu schauen wir uns die Thrombozytenaktivierung
genauer an.
Die Aktivierung wird durch die Bindung der Thrombozyten an den von-Willebrand-Faktor
eingeleitet, denn die Anlagerung führt zu einer Formveränderung der Thrombozyten. Sie
verlieren ihre flache Scheibenform und bilden dünne Fortsätze aus, was eine bessere Interaktion
mit der Wunde wie auch untereinander erlaubt. Die Ausläufer können verhältnismäßig
lang sein, wie in diesem Bild gezeichnet. In der Grafik haben wir die Ausläufer jedoch
nur schematisch dargestellt, um die Übersicht zu wahren.
Die Adhäsion der Thrombozyten führt auch zu einer Freisetzung von Botenstoffen, die
in den Thrombozyten gespeichert sind. Ein sehr wichtiger Botenstoff ist das Adenosindiphosphat,
kurz ADP. Nun ist das Besondere, dass Thrombozyten auch einen ADP-Rezeptor besitzen, über den
weitere, noch inaktive Thrombozyten aktiviert werden. Es entsteht also eine positive Rückkopplung,
die eine regelrechte Kettenreaktion der Aktivierung auslöst.
Ein zweiter Botenstoff, der aus den Thrombozyten freigesetzt wird, ist das Thromboxan A2, hier
abgekürzt als TxA2. Das Thromboxan A2 hat zwei wichtige Funktionen: es wirkt einerseits
auf die Gefäßwand und verstärkt die Vasokonstriktion, andererseits aktiviert es weitere Thrombozyten,
welche die Verletzung abdichten. Für die Pharmakologie ist interessant, dass Thromboxan
A2 in den Thrombozyten durch die Cyclooxygenase 1 synthetisiert wird. Darauf kommen wir aber
später nochmal zurück.
Als letzten wichtigen Schritt führt die Aktivierung zur Verknüpfung der Thrombozyten untereinander,
der sogenannten Thrombozytenaggregation. Auf der Oberfläche der Thrombozyten befindet
sich das Glykoprotein IIb/IIIa, ein Rezeptor, der mit GPIIb/IIIa abgekürzt oder auch einfacher
als Fibrinogen-Rezeptor bezeichnet wird. Die Aktivierung führt zu einer Änderung
der Konformation dieses Rezeptors, sodass nun Fibrinogen an die aktivierten Thrombozyten
binden kann. Dadurch werden sie untereinander vernetzt und es entsteht ein relativ festes,
wenn auch noch instabiles Aggregat. Übrigens GPIIb/IIIa ist mit mehr als 50.000 Kopien
auf der Oberfläche der häufigste Rezeptor der Thrombozyten. Doch das nur am Rande. Bis
hierhin haben wir die wichtigsten Aspekte der thrombozytären Blutstillung vorgestellt.
Diese Punkte wollen wir in einem Steckbrief nochmal kurz und knapp zusammenfassen. Die
thrombozytäre Blutstillung beginnt mit der Adhäsion, vermittelt durch den von-Willebrand-Faktor.
Dadurch werden die Thrombozyten aktiviert und schütten unter anderem ADP aus, welches
die Aktivierung weiter voran treibt. Schließlich werden die Thrombozyten untereinander verknüpft,
was als Aggregation bezeichnet wird. Zentral hierfür ist der Fibrinogen-Rezeptor. Der
bis hierhin gebildete Thrombus besteht hauptsächlich aus angelagerten Thrombozyten, aber noch keinen
Erythrozyten. Er wird deshalb auch als weißer Thrombus bezeichnet.
An dieser Stelle bietet es sich an, die Grundlagen, die wir uns gerade angeschaut haben, mit der
Wirkweise von Medikamenten zu verknüpfen. Es soll deshalb im Folgenden um die sogenannten
Thrombozytenaggregationshemmer gehen. Hierzu gehören zum Beispiel *** und Clopidogrel.
*** blockiert in den Thrombozyten das Enzym Cyclooxygenase-1. Die Blockade des Enzyms
ist irreversibel, sodass der Effekt auch weiter anhält, selbst wenn der Plasmaspiegel von
*** bereits wieder abgefallen ist. Anders ist es bei anderen nicht-steroidalen Antirheumatika,
wie zum Beispiel Ibuprofen. Dieses wirkt zwar auch auf die Cyclooxygenase 1, allerdings
reversibel. Daher ist der Effekt auf die Thrombozytenaggregation abhängig vom Plasmaspiegel und verliert sich
im Schnitt nach 24 bis 48 Stunden. Aus der unterschiedlichen Wirkweise ergibt
sich übrigens ein relevanter Punkt für den Alltag. Wenn ein Patient Ibuprofen und ***
gleichzeitig einnimmt, wird ein Teil der Cyclooxygenase-1-Moleküle vom Ibuprofen nur reversibel blockiert. Dieser
Teil erhält seine Wirkung nach einiger Zeit zurück sodass die angestrebte Thrombozytenaggregationshemmung
nicht erzielt wird. Denn zur Kardioprotektion müssen über 95%
der Cyclooxygenase-1-Moleküle in den Thrombozyten gehemmt sein. Deshalb sollte der Patient das
*** entweder eine halbe Stunde vor dem Ibuprofen einnehmen. Oder, wenn der Patient das Ibuprofen
bereits genommen hat, sollte er laut aktuellen Empfehlungen mindestens 8 Stunden warten,
bevor er die *** Tablette einnimmt.
Das zweite Medikament, das wir bereits angesprochen haben, ist das Clopidogrel. Es gehört zur
Gruppe der ADP-Rezeptorhemmer. Wie der Name verrät, wirken sie über eine Blockade des
ADP-Rezeptors, wodurch die Aktivierung der Thrombozyten verhindert wird. Aufgrund einer
irreversiblen Blockade ist die Wirkdauer von *** und Clopidogrel mit der Lebensdauer von
Thrombozyten gleichzusetzen. Dies entspricht einer Restwirkdauer von circa 7 Tagen nach
Absetzen des Medikaments und ist zum Beispiel bei geplanten, größeren Operationen zu beachten.
Falls du mehr über diese Medikamente erfahren willst, kannst du über den Link zur jeweiligen
Lernkarte gelangen. Als letztes wollen wir kurz die GPIIb/IIIa-Hemmer
besprechen. Sie können unter anderem im Rahmen eines akuten Koronarsyndroms eingesetzt werden.
Ein Beispiel aus dieser Gruppe ist das Tirofiban. Die GPIIb/IIIa-Hemmer verhindern die Anlagerung
des Fibrinogens und die Verknüpfung der einzelnen Thrombozyten zu einem lockeren Thrombus.
Sie hemmen also unabhängig vom Aktivierungsreiz die Aggregation und werden daher zusätzlich
zu den anderen Thrombozytenaggregationshemmern eingesetzt. Im Unterschied zu Aspirin und
Clopidogrel können GPIIb/IIIa-Inhibitoren nur parenteral verabreicht werden. Sie sind
deshalb der stationären Therapie vorbehalten, wohingegen Clopidogrel und *** auch zur längerfristigen
Thromboseprophylaxe eingesetzt werden können.
Schlüsselwissen Wie wir gerade gesehen haben, werden Thrombozytenaggregationshemmer
einerseits zur Prävention von arteriellen Thromben und anderseits bei der Therapie des
akuten Koronarsyndroms eingesetzt. Hier schließt sich der Kreis, den wir am Anfang der Folge
begonnen haben. Es ging um die Frage, welche medikamentöse Prophylaxe kann bevorzugt für
welche Thromben eingesetzt werden. Die Bedingungen in der Blutstrombahn unterscheiden
sich zwischen dem arteriellen und dem venösen System. Im arteriellen System herrscht eine
hohe Strömungsgeschwindigkeit, deshalb sind dort die Thrombozyten besonders wichtig, da
sie sich mit Hilfe ihrer Rezeptoren an die verletzte Stelle anlagern können. Pathophysiologisch
kann sich diese Fähigkeit jedoch negativ auswirken.
Wenn wir uns eine Stenose vorstellen, erhöht sich durch die Verengung die Strömungsgeschwindigkeit.
Die laminare Strömung wird zudem gebrochen und geht in eine turbulente Strömung über.
Die Scherkräfte an dieser Stelle sind dann um ein vielfaches höher als im gesunden Gefäßsystem.
Kommt es zur Ruptur eines Plaques, lagern sich die Thrombozyten an und bilden einen
Thrombus, was zur kompletten Stenose des Gefäßes führen kann.
Medikamente, welche die Thrombozytenfunktion hemmen, eignen sich also besonders gut, um
thromboembolischen Komplikationen im arteriellen System vorzubeugen.
Andere Bedingungen finden sich hingegen im venösen System. Um diese zu beschreiben,
müssen wir inhaltlich ein wenig vorgreifen. Also: Auf die thrombozytäre Blutstillung
folgt die plasmatische Gerinnung. Das heißt, um die Thrombozyten herum werden Gerinnungsfaktoren
verbraucht und es lagert Fibrin an, welches den Thrombus festigt.
Die Details schauen wir uns in der nächsten Folge an aber wichtig ist. Die Blutgerinnung
wechselt dabei nicht von einem ‘Aus’ in einen ‘An’-Zustand. Vielmehr findet auch
ohne Verletzung kontinuierlich ein geringer Umsatz von Gerinnungsfaktoren statt, der im
Falle einer Gefäßverletzung schlagartig zunimmt. Unter bestimmten Bedingungen, vor
allem wenn der Blutfluss verlangsamt ist, können sich so auch ohne Gefäßverletzung
Fibringerinnsel im Gefäß bilden. Im arteriellen System ist dieses Problem geringer,
hier herrscht eine hohe Strömungsgeschwindigkeit, die der spontanen Bildung von Fibirngerinnseln
entgegenwirkt. Im venösen System herrscht hingegen eine
geringere Strömungsgeschwindigkeit, sodass sich die Gerinnungsfaktoren leichter zusammen
lagern, insbesondere wenn es zu einer Stase kommt, wie z.B. in den Beinvenen auf längeren
Reisen. Im venösen System steht also die genaue Regulation der plasmatischen Gerinnung
an erster Stelle. Um einer Thrombose im venösen System vorzubeugen,
wären daher Thrombozytenaggregationshemmer nicht das Mittel der Wahl. Vielmehr müssen
Medikamente eingesetzt werden, welche die plasmatische Gerinnung beeinflussen. Sie werden
als Antikoagulantien bezeichnet.
Allerdings zum Schluss noch eine Ergänzung, damit es nicht zur Verwirrung kommt. Die Verknüpfung
arterielle Thromben Prophylaxe mit Thrombozytenaggregationshemmern, venöse Thromben Prophylaxe mit Antikoagulantien
ist zwar richtig, beschreibt aber noch nicht das gesamte Bild.
Da sich an die thrombozytäre Blutstillung die plasmatische Gerinnung anschließt, macht
es zumindest bei der Therapie von arteriellen Thromben wie im Rahmen eines akuten Koronarsyndrom
auch Sinn zusätzlich ein Antikoagulanz zu geben. In dem Fall nämlich Heparin.
Quiz OK. Überprüfe dein Wissen, indem du die
Rezeptoren und Botenstoffe auf ihre jeweilige Position in der Abbildung ziehst. Viel Spaß!
Wenn du einige ausgewählte Fragen zum Thema kreuzen willst, folge einfach dem Link.