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Übersetzung: Lex Asobo Lektorat: Wolf Ruschke
Es war schon mal einfacher, aus Island zu kommen,
denn bis vor ein paar Jahren
wussten die Menschen kaum etwas von uns,
und ich konnte im Grunde hier erscheinen
und nur Gutes über uns sagen.
Aber in den letzten paar Jahren
wurden wir wegen einiger Sachen berüchtigt.
Zuerst ist da natürlich der wirtschaftliche Zusammenbruch.
Es wurde tatsächlich so schlimm,
dass jemand unser Land bei eBay einstellte.
(Lachen)
99 Pence waren der Startpreis,
und keine Rücklage.
Dann war da der Vulkan,
der Reisepläne von fast allen von ihnen unterbrach,
und von vielen Ihrer Freunde,
einschließlich Präsident Obama.
Nebenbei bemerkt, man spricht ihn
"Eyjafjallajokull" aus.
Nicht eins Ihrer Medien hat das hingekriegt.
(Lachen)
Aber ich bin nicht hier, um diese Geschichten
über diese beiden Sachen zu erzählen,
ich bin hier, um Ihnen die Geschichte von Audur Capital zu erzählen,
dem Finanzunternehmen, das ich mit Kristin
- hier im Bild - gegründet habe,
im Frühjahr 2007,
gerade mal ein Jahr bevor der wirtschaftliche Zusammenbruch kam.
Warum sollten zwei Frauen
mit erfolgreichen Karrieren für Investment-Banking
im Unternehmenssektor aufhören,
um ein Finanzdienstleistungsunternehmen zu gründen?
Es sollte ausreichen zu sagen,
dass wir uns vom Testosteron
leicht überfordert fühlten.
Ich stehe nicht hier,
um Männern die Schuld an der Krise zu geben
und an dem, was in meinem Land passierte.
Aber ich kann mit Sicherheit sagen, dass in meinem Land,
sehr ähnlich wie an der Wall Street und in London und sonstwo,
Männer die Geschicke
des Finanzsektors leiteten.
Und diese Art Mangel an Diversität,
diese Gleichheit
führt zu katastrophalen Problemen.
(Applaus)
Wir beschlossen also, etwas bedient von dieser Welt
und auch mit dem starken Bauchgefühl,
dass dies nicht zukunftsfähig war,
ein Finanzdienstleistungsunternehmen zu gründen,
das auf unseren Werten beruhte.
Wir entschieden uns, weibliche Werte
in der Finanzwelt zu verwirklichen.
Da verzogen einige in Island die Gesichter.
Bis dahin kannte man uns nicht
als die typischen Frauen
von Island.
Es war fast wie ein Bekenntnis,
tatsächlich über den Umstand zu sprechen, dass wir Frauen waren
und dass wir glaubten, ein Wertesystem zu haben
und Geschäftspraktiken,
die zukunftsfähiger wären als das,
was wir bis dahin erlebt hatten.
Eine große Gruppe Menschen schloss sich uns an,
Menschen mit hohen Grundsätzen und großartigen Fähigkeiten,
und Investoren mit einer Vision
und Werten, die zu unseren passten.
Und gemeinsam gelangten wir durch das Auge des Finanzsturms in Island,
ohne irgendwelche direkten Verluste bei unserem Firmenkapital
oder den Anlagen unserer Kunden zu machen.
Und obwohl ich all den talentierten
Menschen in unserem Unternehmen
zuallererst dafür danken will -
obwohl da natürlich auch Glück und Timing eine Rolle spielen -,
sind wir vollkommen davon überzeugt,
dass wir das alles unserer Werte wegen geschafft haben.
Lassen Sie mich Ihnen also von unseren Werten berichten.
Wir glauben an Gefahrenbewusstsein.
Was bedeutet das?
Wir glauben, dass man immer verstehen sollte, welches Risiko man eingeht,
und nicht investiert
in Dinge, die man nicht versteht.
Keine komplizierte Sache.
Aber 2007,
während des Höhepunkts der Subprime-Krise
und all der komplizierten Finanzstrukturen,
war das so ziemlich das Gegenteil
von dem rücksichtlosen, risikofreudigen Verhalten,
das wir am Markt beobachteten.
Wir glauben auch an offene Kommunikation,
Dinge beim Namen nennen,
den Gebrauch einfacher Sprache, die von Menschen verstanden wird,
den Menschen die Nachteile aufzeigen,
genauso wie die möglichen Vorteile,
und auch die schlechten Nachrichten verkünden, die niemand zur Sprache bringen will,
z.B. unser mangelndes Vertrauen in die Zukunftsfähigkeit
des isländischen Finanzsektors,
das wir bereits vor Monaten verloren hatten,
als die Auswirkungen des Zusammenbruchs spürbar wurden.
Und obwohl wir im Finanzsektor arbeiten,
wo Excel regiert,
glauben wir an emotionales Kapital.
Wir glauben,
dass es genauso wichtig ist, der emotionalen
Sorgfaltsspflicht nachzukommen
wie der finanziellen Sorgfaltspflicht.
Es sind schließlich Menschen,
die Geld verdienen oder verlieren,
nicht Excel-Tabellen.
(Applaus)
Zu guter Letzt
glauben wir an Profit mit Prinzipien;
uns ist es nicht egal, wie wir unseren Gewinn machen.
Wenn wir also wirtschaftlichen Erfolg für uns und unsere Kunden wollen,
sind wir gewillt, das mit Blick auf die Nachhaltigkeit zu tun.
Wir ziehen eine breitere Definition des Profits vor
als nur den wirtschaftlichen Erfolg des nächsten Quartals.
Wir möchten also Profite sehen
inklusive positiver sozialer
und ökologischer Auswirkungen unserer Investitionen.
Es ging aber nicht nur um die Werte,
obwohl wir von ihrem Einfluss überzeugt sind.
Es ging auch um eine Unternehmens-Chance.
Es sind der weibliche Trend und der Nachhaltigkeitstrend,
die einige der interessantesten
Investititions-Gelegenheiten schaffen werden
im Laufe der kommenden Jahre.
Die ganze Sache mit dem weiblichen Trend
hat nichts damit zu tun, dass Frauen besser als Männer wären,
es geht vielmehr darum,
dass Frauen sich von Männern unterscheiden
und andere Werte und Verhaltensweisen mitbringen.
Was erreicht man dadurch? Eine bessere Entscheidungsfindung.
Und weniger Herdenverhalten.
Und beides zeitigt unterm Strich
sehr positive Ergebnisse.
Man muss sich jedoch Folgendes fragen:
Nun, da wir diesen Finanzsektor in Island über uns zusammenbrechen sahen
und Europa übrigens auch nicht gerade gut aussieht -
und viele sind der Meinung, dass Ihr in Amerika
euch auch auf größere Schwierigkeiten zubewegt -
nun, da das alles passiert ist,
und wir die ganzen Daten haben,
die uns sagen, dass es viel besser ist, Vielfalt
an den Tischen der Entscheidungsfindung zu haben,
werden wir nun erleben, dass Unternehmen und Finanzen sich ändern?
Wird sich die Regierung verändern?
Ich sage Ihnen dazu geradeheraus:
An manchen Tagen will ich es glauben,
aber es gibt auch Tage des Zweifels.
Haben Sie den unglaublichen Drang dort draußen beobachtet,
genau diejenigen Dinge, die versagt haben, erneut aufzubauen?
(Applaus)
Einstein sagte,
dass dies die Definition von Schwachsinn sei,
die gleichen Dinge
wieder und wieder zu tun
und auf ein anderes Ergebnis zu hoffen.
Ich denke also, die Welt ist geisteskrank,
denn ich sehe ganz und gar zuviel
Wiederholung der gleichen Dinge,
in der Hoffnung, dass es diesmal nicht über uns zusammenbricht.
Ich möchte mehr revolutionäres Denken erleben.
Und ich bleibe hoffnungsvoll.
Wie TED, glaube ich an Menschen.
Und ich weiß, dass die Konsumenten
bewusster werden
und beginnen, mit ihren Brieftaschen zu wählen.
Sie werden das Gesicht der Geschäftswelt
und der Finanzwelt von außen verändern,
wenn man es nicht von innen tut.
Ich bin aber eher der Revolutionär,
und ich sollte es sein; ich bin aus Island.
Wir haben eine lange Geschichte
starker, couragierter, unabhängiger Frauen,
die bis in die Wikingertage zurückreicht.
Ich möchte Ihnen sagen, wann ich
zum ersten Mal begriff, dass Frauen einen Unterschied in der Wirtschaft
und Gesellschaft bewirken.
Ich war sieben, es war zufällig der Geburtstag meiner Mutter,
der 24. Oktober 1975.
Frauen in Island nahmen sich diesen Tag frei.
Von der Arbeit oder dem Haushalt nahmen sie sich frei,
und nichts ging mehr in Island.
(Lachen)
Sie marschierten ins Zentrum von Reykjavik
und setzten Frauenthemen auf die Tagesordnung.
Einige sagen, das war der Beginn einer weltweiten Bewegung.
Für mich war es der Beginn einer langen Reise,
und ich entschied, dass dieser Tag wichtig sein sollte.
Fünf Jahre später
wählte Island Vigdis Finnbogadottir zur Präsidentin,
zum ersten Mal eine Frau im obersten Amt,
eine alleinerziehende Mutter,
die Brustkrebs überlebt hatte,
nachdem man eine ihrer Brüste entfernt hatte.
Auf einer der Wahlveranstaltungen
spielte einer ihrer männlichen Herausforderer darauf an,
dass sie nicht Präsident werden könne;
sie sei eine Frau, und das sogar nur halb.
In dieser Nacht gewann sie die Wahl,
denn sie schlug zurück -
nicht nur wegen dieses beschissenen Verhaltens -
sondern sie schlug zurück, indem sie sagte:
"Nun, ich will das isländische Volk ja nicht an die Brust legen,
sondern führen."
(Applaus)
Ich hatte also unglaublich viele
Frauen zum Vorbild,
die beeinflusst haben, wer ich heute bin und wo ich heute stehe.
Dennoch habe ich
in den ersten 10 oder 15 Jahren meiner Karriere
weitgehend die Augen davor verschlossen, eine Frau zu sein.
Als ich in der Geschäftswelt Amerikas begann,
war ich vollkommen überzeugt,
dass es nur um die Person ging,
dass Frauen und Männern die gleichen Möglichkeiten offen stehen.
Mir ist aber jüngst aufgegangen,
dass dem nicht so ist.
Wir sind nicht gleich.
Und das ist großartig, denn wegen unserer Unterschiede
schaffen und erhalten wir Leben.
Wir sollten also unsere Unterschiedlichkeit annehmen und nach Herausforderung streben.
Ein letzter Gedanke, den ich noch loswerden möchte,
ist der, dass ich diese Tyrannei
der Entweder-oder-Entscheidungen satt bin -
entweder Männer oder Frauen.
Wir müssen anfangen, die Schönheit der Ausgewogenheit für uns zu entdecken.
Kommen wir also weg davon,
hier ans Geschäft und dort an die Menschlichkeit zu denken,
sondern lassen Sie uns beginnen,
über wirklich gute Geschäfte nachzudenken.
So können wir die Welt verändern. Das ist die einzige nachhaltige Zukunft.
Ich danke Ihnen.
(Applaus)