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Sehen Sie diesen Andrang hier?
Diesem Konditor in Berlin rennen die Leute zur Zeit den Laden ein.
Tamen Al-Sakka hat die erste syrische Konditorei Berlins eröffnet und hatte im Traum nicht
damit gerechnet, wie enorm die Hauptstädter auf seine syrische Backkunst abfahren.
Was die syrischen Meisterbäcker so anders machen als ihre orientalischen Nachbarn?
Das haben wir uns mal genau angeschaut.
Süße Sünden, gebacken nach Rezepten aus dem fernen Syrien.
Alles Handarbeit mit besonderen Zutaten.
Die Hälfte der Kunden, die der ersten syrischen Konditorei Berlins zur Zeit die Bude einrennen,
sind übrigens Deutsche.
„„Ich wusste vorher gar nicht wie lecker das ist ehrlich gesagt.
„Weniger süß als man denkt.“
Orientalische Backwaren kennen wir vor allem aus türkischen Bäckereien.
Die Syrer machen aber irgendetwas anders, was ihnen den Ruf einbringt, die Meisterbäcker
des Orients zu sein.
Aber was genau?
Und wieso treffen sie damit den Geschmack vieler Deutscher?
Das ist der erste syrische Meisterbäcker der Hauptstadt: Tamen Al-Sakka.
Seit er vor einem Jahr seine Konditorei in Berlin aufgemacht hat, boomt der Laden.
Das hat er unter anderem diesen süßen Röllchen zu verdanken.
Halawet el Jibn (sprich: Halawa el Dschibben) heißt diese syrische Spezialität.
Kurz genannt Halawa.
Zu Tamens Überraschung fahren die Deutschen voll drauf ab.
„Ich weiß noch, wie mein Bruder sagte, die sind so mächtig, viel zu mächtig für
die Deutschen.
Aber sie lieben es.“
Warum so viele den syrischen Röllchen verfallen, zeigt uns Tamens Bruder Rami.
Er ist im Familienbetrieb der Halawa-Bäcker.
Die erste Kunst ist der Teig.
Davon macht er immerhin bis zu 100 Kilogramm am Tag.
Der Teig besteht aus Wasser, Weichweizengries und Zucker.
Das genaue Rezept will die Familie nicht verraten - es könnten andere ja nachmachen.
Denn in Zukunft gibt es sicher noch weitere syrische Konditoreien in Deutschland.
Damit beim Aufkochen nichts anbrennt, muss Rami rühren.
Und gleichzeitig diesen weißen Klumpen heiß kochen: Ein arabischer Weichkäse, ähnlich
wie Mozzarella.
Er ist der Geschmackskick, der den syrischen Gries-Teig nicht nur süß, sondern auch herzhaft
macht.
Doch der Käse zieht sich wie Kaugummi.
Ihn mit dem Gries zu vermengen, ist ein Kraftakt und nur per Hand gleichmäßig möglich.
„Keine Maschinen machen das.
Vielleicht ist der Käse zu hart oder zu weich.
Ich muss gucken und danach mache ich das.“
Dann die syrische Geschmacksnote: „Ein bisschen Rosenwasser.“
„Und danach mit meiner Hand.“
Kneten.
Und zwar direkt im heißen Kochtopf, denn nur heiß lässt sich der Käse im Griesteig
gleichmäßig verteilen und zu einem Teig auslegen.
„Ist jetzt sehr heiß.
Ich schnell put it here.“
Für Geschmeidigkeit noch etwas Butter.
Dann folgt das erste Geheimnis, warum die Syrer als Meisterbäcker des Orients gelten:
Nicht mal ein Nudelholz lassen sie an ihren Teig heran.
Dafür aber Luft, die ein Ventilator herum wirbelt.
Jetzt kommt ein Trick, den Lehrlinge gut zwei Jahre üben müssen.
„Ich schlage jetzt eine Luftblase unter den Teig.“
Die Luft kühlt den heißen, dünnen Teig von unten abrupt ab.
Denn nur kühl kann er jetzt die Füllung aufnehmen, auf die deutschen Kunden so abfahren.
Dazu schneidet Rami den Griesteig in Stücke und füllt diese weiße Masse hinein:
Mascarpone, ein mächtiger, sahniger Frischkäse mit gut Achtzig Prozentigem Fettgehalt.
Aber nur mild mit Zucker gesüßt.
Da es bei den Syrern kaum Süßigkeiten ohne Nüsse gibt, brauchen die Halawa-Röllchen
am Ende zumindest noch ein Dekohäubchen aus gemahlen Pistazien.
„Das Halawa muss in den Kühlschrank.
Dann guten Appetit.“
Die syrische Art einer mächtigen Käse-Sahnerolle, die aber nicht nur süß, sondern auch herzhaft
ist.
Sehr lecker hier mit der Creme.“
„Man erwartet ja etwas sehr sahniges und schweres, aber es ist ganz anders als es aussieht.“
„Schöne Aroma“ Tamen: „Rosenwasser.“
„Wirklich sehr lecker.
Meine Lieblingssyrische Süßigkeit.
Halawa el dschibben?
Ja.“
Die größte Überraschung: Syrisches Gebäck ist nicht so zuckerlastig, wie man es sonst
von orientalischen Konditoren gewohnt ist.
„Es ist so süß wie man es kennt von den Türken.“
„Definitiv auch deutlich knuspriger.“
Den Unterschied kann man auch sehen.
Das ist typisch türkisches Baklava.
Ein dicker Teig mit zerkleinerten Pistazien.
Beim syrischen Baklava ist der Teig erheblich dünner und es stecken ganze Pistazien drin.
Und weniger Zucker.
Das schlägt sich für die Kunden allerdings auch in den Preisen nieder.
Dieses syrische Baklava ist mit 20 Euro pro Kilo fast doppelt so teuer wie in den meisten
anderen orientalischen Konditoreien Berlins.
„Das ist einfach teurer.
Is so.“
„Ich bin bereit mehr zu zahlen, aber sowas zu bekommen.“
Wie die höheren Preise zustande kommen, erfahren wir an der teuersten Süßigkeit im Laden:
Mambrume (sprich: Mabruma).
30 Euro kostet das Kilo.
„Mabruma.
Mabruma.“
„Das ist was besonderes.
Das sieht man nur in Syrien.“
Diese syrische Süßspeise beginnt mit feinen Kateifi-Teigfäden, die in Deutschland Engelshaar
genannt werden.
Was sie so teuer macht, sind neben der Handarbeit vor allem die besonderen Zutaten, die es in
Deutschland gar nicht zu kaufen gibt.
Wie ganze, grüne Pistazien.
Unbehandelt und in höchster Qualitätsstufe muss sie die syrische Konditorei extra aus
der Türkei importieren.
30 Euro kostet das Kilo.
Die teuren Pistazien zu zermahlen und mit billigeren Nussorten zu strecken, kommt hier
nicht in die Tüte!
Im Engelshaarmantel werden sie jetzt buchstäblich teuer frittiert - in arabischem Butter-Ghee
(sprich: Giiii).
Das ist auch das nächste Qualitätsgeheimnis der syrischen Meisterbäcker.
Arabischer Ghee ist eine besonders reine Form des Butterschmalzes von Kühen oder Schafen,
den die Meisterbäcker aus Holland einführen.
Denn in Deutschland gibt es ihn noch nicht im Handel.
Die nötigen drei Liter zum Frittieren kosten stolze vierzig Euro, aber nur mit diesem Ghee
erhält das syrische Gebäck sein typisches Aroma.
An billigen Kalorien wie Zucker spart die syrische Konditorei dagegen.
Die Stangen duschen zwar in Glukosesirup, schwimmen aber nicht stundenlang darin herum.
Was die Stangen nicht mehr aufnehmen können, tropft ab.
Das Innenleben erhält nur eine milde Süße.
So bleibt der Eigengeschmack der Zutaten bestehen.
90 Prozent ganze Pistazien in diesem Fall.
Ihre hohe Qualität erkennt man übrigens an der Farbe: Je grüner Pistazien leuchten,
desto teurer sind sie.
Wir wollen jetzt auch mal probieren.
„Es schmeckt so ein bisschen wie gebrannte Mandeln mit einem ganz klebrigen Teig.“
„Sieht toll aus.“
„Also so viel Pistazie kenn ich aus Deutschland nicht.
Und ich wusste auch vorher nicht wie lecker das ist ehrlich gesagt.“
„Hmm.
Wir müssen mehr einkaufen.“
Da Chef Tamen seine hohe Qualität nicht billiger anbieten kann, war für ihn die Geschäftsgründung
in Berlin anfangs ganz schön riskant.
„Einige meiner Freunde sagten, Ohhh, lass es lieber.
Diese hohen Preise für die hohe syrische Qualität wird dir in Deutschland niemand
bezahlen.
Niemand.“
Doch Tamen geht das Risiko ein.
Mit seinem Neffen Sulaiman zeigt er uns, wie erfolgreich er in seiner Heimat schon einmal
war.
Drei große Konditoreien betreibt er bis vor 3 Jahren in Homs, der drittgrößten Stadt
Syriens.
Dort kennt fast jeder seine Backkünste.
Doch dann kommt der Krieg und die Familie flüchtet nach Berlin.
Es war sehr schön, aber jetzt sind meine Läden….zerstört . ja.
“ „Wir müssen weitermachen und vergessen.
Wir müssen nochmal von vorn anfangen.
Zum Glück läuft Tamens neuer Laden gut!
„Meine kleine Backstube.“
Nach nur einem Jahr in Deutschland eröffnet er eine 40 Quadratmeter kleine Backstube - mit
Konditoren, die er unter den syrischen Flüchtlingen gefunden hat.
„Wir haben zu dritt angefangen, jetzt sind wir schon 10!“
Die für uns ungewöhnlichen Geschmacksmischungen kommen eben an!
Und so ist der absolute Verkaufsschlager unter den deutschen Kunden ein syrischer Kuchen,
der hier gerade aus Fadenteig entsteht.
Nabulsiya (sprich: Nabulcija) heißt er.
Die Syrer essen ihn traditionell zum Frühstück.
Für einen süßen Kuchen ist er ziemlich herzhaft.
Die Kombination ist wieder deftig - arabischer Weichkäse trifft milde Süße.
Aber nicht im Ofen, sondern über offener Flamme muss dieser Kuchen jetzt backen.
Denn nur so kann der Konditor den Käse nonstop bearbeiten: Während er langsam schmilzt,
verliert er nämlich Wasser.
Damit es den Teig nicht vermatscht, muss es permanent entfernt werden.
Eine gute halbe Stunde lang.
Die Käse-Konsistenz ist dann perfekt, wenn er sich locker verstreichen und wie Kaugummi
in die Länge ziehen lässt.
Um immer höchste Qualität zu liefern, sind die Konditoren in den syrischen Backstuben
übrigens immer auf ein bis zwei Süßspeisen spezialisiert, so dass jedes Produkt von einem
Vollprofi kommt.
Den obligatorischen Zuckersirup noch oben drauf und das Pistazienhäubchen.
Fertig ist die syrische Frühstückspezialität namens Nabulsiya. (sprich: Nabulcija)
Kilopreis: 16 Euro.
„Ich probier mal.
Die meisten Syerer essen das jeden Tag.
Wirklich jeden Tag.
Aber ich war echt überrascht, dass die Deutschen es auch so lieben."
Doch die Deutschen sind Käseliebhaber.
Hier bekommen sie dessen süße Variante serviert.
Immer warm, denn nur so zieht der Käse seine typischen Streifen.
„Süß und salzig zugleich.“
So zäh wie Halumi, schmeckt auch ein bisschen nach Halumi.“
„Was neues.“
Eine Frage haben wir aber noch.
Was beeindruckt die syrischen Meisterbäcker denn an der deutschen Backkunst?
„All this deutsch Brot.
It´s leckerer als unser Brot.
„Bei den deutschen Süßigkeiten ich mag die Kuchen.
Die Käsekuchen und so.“
Für die Zukunft können sie sich sogar vorstellen, dass Beste aus beiden Backkulturen miteinander
zu verbinden.
Und auch deutsche Konditoren einzustellen.
„Wir wollen mit Deutschen zusammen arbeiten.
Einige möchten schon ein Praktikum bei uns machen.
Und ich will von ihnen lernen, wie sie die deutschen Süßigkeiten machen.“
Aber dazu müssen sie erstmal wie geplant expandieren, denn ihr erster kleiner Laden
platzt allmählich aus allen Nähten.
Die Angebote hier sind ja auch zu lecker!